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Frauenjournal und Politikerwahn

■ „ML“, ZDF, So., 18.10 / „Bilder aus der Wissenschaft“, ARD, So., 17.30

Menschen vom Leben in den Tod zu befördern ist ein Männerprivileg. Nur jeder achte Mord wird von einer Frau begangen. Warum töten Frauen, haben sie andere Motive als Männer? An diesen Fragen versuchte sich das ZDF -Frauenjournal Mona Lisa am Sonntagabend. Los ging es natürlich mit den „Terroristinnen“, ohne die die RAF „längst am Ende“ gewesen wäre. Als „perfekte Strategin“, „gehorsame Vasallin“ oder „hilfsbereite Komplizin“ hätten die weiblichen Mitglieder 20 Jahre lang „Schrecken und Gewalt“ verbreitet. Nach ein paar Bildern aus dem Archiv und ein paar Sätzen von Christine Dümlein zur DDR, durfte hemmungslos über die Terroristinnen psychologisiert werden. 'Spiegel'-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen versuchte es mit dem Mutter-Tochter-Konflikt. Die jungen Frauen hätten sich einstmals radikal aus ihrem familiären Milieu lösen wollen, mit dem festen Vorsatz: „Ja nicht werden wie die Mutter“. Im Untergrund hätten sie aber genau deren Rollen übernommen. Denn auch die RAF-Frauen hätten ihre „Existenz über Männer definiert“, erklärte die Psychologin und Gerichtsgutachterin Luckmann. Im Grunde, darüber waren sich die Expertinnen einig, waren die Täterinnen Opfer. Opfer ihrer emotionalen Verstrickungen mit den Männern, von denen sie „hemmungslos benutzt und vorgeschickt“ (Luckmann) worden waren.

Zu dieser Verteidigungsrede paßte aber keiner der Filmbeiträge. Denn auch die Mordserie an alten PatientInnen im Krankenhaus von Lainz/Österreich fügt sich nicht in dieses Erklärungsschema. Vier ehemalige Hilfsschwestern müssen sich demnächst vor Gericht für mindestens 50 Morde verantworten. „Kaltblütig“ hätten sie gehandelt, hieß es. Und ein hilfloser Jurist oder Psychologe konnte sich die Tat nur so zusammenreimen, daß eine „sehr autoritäre Führerin“ die anderen drei mitgerissen habe. Denn im Privatleben seien die Frauen alle „besorgte Großmütter, liebevolle Mütter und gehorsame Ehefrauen“ gewesen.

Mord ist nicht gleich Mord. Und Mona Lisa war es wichtig, keine Verwechslungen aufkommen zu lassen. Warum sonst lief der Beitrag über US-Soldatinnen, Teilnehmerinnen an der Panama-Invasion, erst am Schluß, sozusagen außer Konkurrenz? Hier traten plötzlich selbstbewußte Täterinnen auf, die über „Vaterlandsliebe“, „Pflichterfüllung“ und Gleichberechtigung plaudern durften, nachdem sie offenbar bedenkenlos in die Armenviertel von Panama geschossen hatten. Hier fehlten plötzlich die Kommentare. „I want exitement“, erklärte eine Soldatin ihr Engagement. Das schien selbst der Moderatorin Maria von Welser ein bißchen to much.

Ulrike Helwerth

Rund 20.000 Rinder sind in Großbritannien bisher an der Seuche BSE (Rinderwahnsinn) gestorben, jede Woche kommen 350 dazu. Mit wackligem Gang und Löchern im Hirn gehen sie zugrunde. Ob diese Seuche dem Menschen gefährlich werden kann, „weiß niemand mit Sicherheit zu sagen, wenn es Beweise geben sollte, ist es schon zu spät“. In Bilder aus der Wissenschaft wurde das bisher bekannte Material zur Rinderseuche mit eindrucksvollen Bildern zusammengetragen, es wurden Experten gefragt und Zwischenbilanz gezogen: Noch immer ist der Erreger von BSE nicht gefunden, noch immer sind Übertragungswege und Pathogenese nicht ausreichend bekannt, noch immer muß man sich mit „Arbeitshypothesen“ begnügen, um diese Krankheit zu erklären.

In den Interviews fand sich niemand, der ein Risiko für Menschen grundsätzlich ausschließen wollte. Bis auf einen: Großbritanniens Landwirtschaftsminister John Summer fütterte seine Frau und seine Kinder mit Rindersteaks aus heimischen Ställen. Vergeblich: Jeder zehnte Brite hält BSE inzwischen für gefährlicher als Aids, der Rindfleischmarkt siecht dahin wie die infizierten Rinder.

Und die EG? Augen zu und die Schlägbäume hoch. Daß die Aufhebung der Importverbote für britisches Rindfleisch kriminell ist, wurde in dieser Sendung anschaulich, auch wenn die Kritik beim Bayerischen Rundfunk etwas zarter daherkommt. Die Bilder aus den Schlachthöfen zeigten jedenfalls, wie absurd die EG-Beschlüsse sind, wonach nur reines Muskelfleisch ohne Innereien, Nerven (!) und Lymphgewebe eingeführt werden darf. Hier wird nicht steril gearbeitet, hier sind keine Chirurgen am Werk, sondern eben Metzger, und deshalb können die inkriminierten Rinderteile auch nicht von den „sauberen“ getrennt werden.

Sehr hübsch auch die Bilder aus den Tierkörperbeseitigungsanstalten, wo die Tierleichen mit Planierraupen zusammengeschoben und verbrannt werden, um die Restmasse als Tiermehl wiederum an unsere Viechereien zu verfüttern.

Blieb am Ende der Sendung nur noch eine Frage offen. Wer ist hier eigentlich wahnsinnig: die Rinder oder die Landwirtschaftspolitiker?

Manfred Kriener

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