Unterm Strich

Es gibt Leute, die können nie genug bekommen. So bemäkelt der 'dpa'-Korrespondent Gerd Kriwanek in seinem Bericht vom internationalen Belvedere Sänger-Wettbewerb gemeinsam mit dem Generalintendanten der Münchener Staatstheater, August Everding, die Entscheidung der Jury in Wien. Der Wettbewerb endete am Freitag mit einem „Preisregen“ für junge Sänger aus „Außenseiterländern“. Die „Deutschen und Österreicher gingen leer aus“ klagt 'dpa‘, und der Münchener Theatermann ist angesichts solcher Ignoranz sprachlos. Von den 300 Sängern aus 37 Länder kamen allein 42 aus der Sowjetunion und 32 aus Rumänien.

Sieger wurde schließlich der 24 Jahre alte polnische Tenor Wojciech Drabowicz: Er erhielt den mit mit 50.000 Schilling (7.000 Mark) dotierten Hauptpreis. Der zweite

Preis (30.000 Schilling - 4.200 Mark) ging an den türkischen Bariton Sedat Öztoprak, den dritten Preis (15.000 Schilling

-2.100 Mark) teilen sich die rumänische Sopranistin Angela Gheorghiu und der kanadische Baß-Bariton Desmond Byrne. Die Deutschen und Österreicher sind nicht einmal ins Finale gelangt.

Auf dem Gebiet der Operette konnten sie sich auch nicht gegen die Konkurrenz behaupten: Der Preis ging an die Rumänin Simina Badea: Die Irin Cara O'Sullivan war ihre ärgste Konkurrentin. Auch bei Mozart dominierten die Sänger fremder Zunge: Der Mozart-Opernpreis wurde gemeinsam an Gesamtsieger Drabowicz und an den drittplazierten Kanadier Byrne verliehen.

Der norwegische Baß-Bariton Ronnie Johansen erhielt den Medienpreis. Auch die meisten von Opernhäusern,

Rundfunk- und Fernsehanstalten gestifteten Sonderpreise gingen an Sänger aus dem Osten.

Wenigstens am Bodensee ging nichts ohne die Österreicher und die Deutschen. Die Bregenzer Festspiele wurden am Freitag mit einer Oper, die das tragische Schicksal der Alpenschönheit Geierwally behandelt, eröffnet. Seit der Uraufführung 1892 in Mailand wird „La Wally“ von Alfredo Catalanidie als Rarität immer wieder einmal entdeckt.

Die Verarbeitung des Romans „Die Geierwally“ von Wilhelmine von Hillern zum Film war entschieden publikumswirksamer als das Libretto, das Luigi Illica daraus machte. Die dramatischen Verwicklungen, menschlichen Leidenschaften und Naturgewalten im Tiroler Alpenmilieu regten gleichwohl den Komponisten, einen

Zeitgenossen und zu Lebzeiten hoffnungslos unterlegenen Konkurrenten von Giacomo Puccini, zu theaterwirksamen Melodien an.

Die harte, kalte Bergwelt war für die Ausstatterin Hildegard Bechtler und den Regisseur Tim Albery Ausgangspunkt ihrer Auslegung des Werkes, daß die Choreographin Patti Powell in Szene setzte. Pincas Steinberg hat sich als Dirigent bereits mehrfach für die Oper eingesetzt, zuletzt in Bremen und bei einer Schallplattenaufnahme. Er konnte auch diesmal das Publikum davon überzeugen, daß Catalani ein eigenständiger Meister war, der auch neben Puccini einen Platz im Opernrepertoire verdient. Die Produktion wird in Bregenz noch fünfmal gespielt und dann von der Oper in Amsterdam übernommen, die als Coproduzent mitwirkte.