: Die Satellitenstädte sollen „revitalisiert“ werden
■ Diskussion um die Zukunft von Großbausiedlungen in Ost-Berlin
Mitte. Leben in Betonsilos: Rund ein Viertel aller Ostberliner leben in Satellitenstädten und Hochhäusern genug, um sich nach der Wende Gedanken über die Zukunft der Großsiedlungen zu machen. Gestern diskutierten Fachleute aus Ost und West in der Ostberliner „Bauinformation“ über die Perspektiven.
„Der Ruf von Marzahn ist nicht so schlecht, wie die Leute dort sagen“, verteidigte Gudrun Schmidt von der Bauakademie in Ost-Berlin die Siedlungen. „Da wohnte der Professor genauso wie der Arbeiter.“ Dies solle auch so bleiben. Lediglich das Wohnumfeld sei unzureichend: Freizeitmöglichkeiten und Dienstleistungsbetriebe seien nur in den „Grundlagen“ ausgebaut - gewöhnlich eine Kaufhalle, eine Kinderkrippe und eine Schule. In Zukunft sollen die Satellitenstädte „verdichtet“ werden, daß heißt, zwischen den Hochhäusern sollen weitere Gebäude errichtet werden Kneipen, Arztpraxen und andere Dienstleistungen. Eine wichtige Aufgabe sei „die Revitalisierung von Altbaugebieten und die Vitalisierung von Neubaugebieten“, meinte Siegfried Kress, ebenfalls von der Bauakademie. Als Vorbild soll dabei das Märkische Viertel in West-Berlin dienen.
Die wissenschaftlichen Planer wollen von den Einheitsgebäuden abkommen, dem Plattenbau soll aber eine Perspektive für den Rohbau gegeben werden, so Kress. Bei den Fassaden, Dächern, Formen solle es individuelle Unterschiede geben - „vom einfachen Wasserkran bis zum gol denen Wasserkran“, so Kress. Bei den bestehenden Wohnungen müsse überlegt werden, ob die Wohnungen nicht durch Zusammenlegung von Räumen vergrößert werden könnten. Besonders die Größe des Kinderzimmers und des Bads sei häufig kritisiert worden.
Bisher wurde in der DDR an den „Neubauten“ aus den 50er und 60er Jahren kaum etwas saniert oder verändert: Die zuständigen DDR-Planer wären davon ausgegangen, daß die sozialistischen Bauwerke „halten müssen“, so die Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Bauakademie in Ost -Berlin Inge Kohl. Nach der Wende müsse jetzt untersucht werden, „was kaputt ist und warum es kaputt ist“, so Professor Dr. Erich Cziesielski von der Technischen Universität. Dadurch könne dann schon vorgesorgt werden, bevor zum Beispiel Wasser durch die Flachdächer komme und sich Schimmelpilze an den Wänden bildeten.
Weitere Informationen bietet die Ausstellung Zukunft der Großsiedlungen, die das Märkische Viertel darstellt. Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 3. August montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr in der „Bauin formation“, Wallstraße 27, Berlin Mitte.
Rochus Görgen
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