: Die Wahl des Betriebsrats
■ Kriterien für die betriebliche Interessenvertretung / Die Vorbereitung der Wahl
Der rote Faden
Teil 9
Bei der Bildung eines Betriebsrats sind zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die sich manchmal schwer miteinander vereinbaren lassen. Einmal müssen im Betriebsrat die vielfältigen in einer Belegschaft vorhandenen Interessen repräsentiert sein, um überhaupt vertreten werden zu können. Zum anderen müssen sich diese Interessen bündeln, um sich im Konfliktfall behaupten zu können. Über beide Gesichtspunkte
-Vielfalt und Enheit - wird praktisch bereits bei der Betriebsratswahl entschieden.
1. Daß der Betriebsrat repräsentativ zusammengesetzt ist, wird vom Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nicht sehr konsequent geregelt. Einerseits verlangt das Gesetz zwar strikt, daß Arbeiter und Angestellte entsprechend ihrem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein müssen (die Begriffe sind in §6 des in der DDR geltenden BetrVG abweichend von der BRD definiert). Für die gleichmäßige Vertretung der Geschlechter gilt hingegen keine zwingende, sondern nur eine Soll-Vorschrift. Ähnliches gilt für VertreterInnen der Betriebsteile und Beschäftigungsarten. Für AusländerInnen gibt es nicht einmal eine solche Soll-Vorschrift.
Ob eine betriebliche Interessenvertretung hinsichtlich Geschlecht und Nationalität wirklich der Vielfalt der zu vertretenden Interessen entspricht, also repräsentativ ist, wird somit vom Recht nicht garantiert. Es hängt vielmehr von der politischen Willensbildung im Betrieb ab.
2. Auch hinsichtlich der Einheitlichkeit der Interessenvertretung gegenüber Geschäfts- oder Dienststellenleitung weist das geltende Recht Lücken auf. Auf den „Dualismus“ zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft wurde schon früher hingewiesen. Das BetrVG begünstigt ferner die eigenständigen Willensbildungsprozesse von Arbeitern und Angestellten, obwohl diese Unterscheidung heute längst nicht mehr so ein Gewicht hat wie etwa diejenige zwischen Männern und Frauen oder zwischen Deutschen und Ausländern. Und ein Gesetz von 1988 - das Sprecherausschußgesetz - hat jüngst noch die Gruppe der leitenden Angestellten ausgedehnt und von der einheitlichen betrieblichen Interessenvertretung abgespalten.
Die Enheitlichkeit der Interessenvertretung wird somit durch das Gesetz zuweilen eher behindert als begünstigt. Diese Hindernisse sind nur durch öffentliche und ehrliche betriebliche Verständigung über Interessen und deren Vertretung überwindbar. Diese Verständigung findet im Grunde schon bei der Aufstellung von KandidatInnen und Listen zur Betriebsratswahl statt.
U. M.
Am 1. Juli 1990 ist in der DDR das Betriebsverfassungsgesetz der BRD mit wenigen Änderungen in Kraft getreten. Gemäß dem Zusatz zu §13 BetrVG ist in den DDR-Betrieben spätestens bis zum 30. Juni 1991 ein Betriebsrat zu wählen. Was bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen zu beachten ist, beschreibt dieser Artikel.
1. Betriebsratsfähige Betriebe. Begrifflich unterscheidet das BetrVG Betrieb, Unternehmen und Konzern (vgl.§47, 54 BetrVG). Die Betriebsratswahl ist auf den Betrieb bezogen. Hat der Betrieb mindestens fünf ständige wahlberechtigte ArbeitnehmerInnen, darunter drei wählbare, so ist er betriebsratsfähig (§1 BetrVG). Erfüllen Nebenbetriebe diese Voraussetzung nicht, so sind sie dem Hauptbetrieb zuzuordnen (vgl. §4 BetrVG). In der Definition des Bundesarbeitsgerichts ist der Betrieb „die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen“. Zentrales Kriterium für den Betrieb ist die einheitliche Leitung, die den Bezugspunkt für die Beteiligungsrechte des Betriebsrats darstellt. Im Unterschied zur tchnisch-organisatorischen Einheit des Betriebes ist das Unternehmen die rchtliche Einheit, die aus mehreren Betrieben bestehen kann.
Keine Awendung findet das BetrVG auf Religionsgemeinschaften und ihre Enrichtungen (§118 Abs. 2 BetrVG). Im öffentlichen Dienst gelten statt des BetrVG Personalvertretungsgesetze des Bundes und der Länder.
2. Wahlberechtigte ArbeitnehmerInnen. Wahlberechtigt sind alle ArbeitnehmerInnen des Betriebes, die das 18. Lebensjahr vollendet haben (§7 BetrVG). Arbeitnehmer sind Arbeiter und Angestellte, nicht jedoch leitende Angestellte (zur Abgrenzung vgl. §5 Abs. 3, 4 BetrVG). Wahlberechtigt sind unabhängig von der Staatsangehörigkeit - auch Auszubildende, Teilzeitbeschäftigte, befristet Beschäftigte. LeiharbeitnehmerInnen wählen im Betrieb des Verleihers. Entscheidend ist der Bestand eines Arbeitsverhältnisses zum Betrieb am Wahltag.
Bei der Bestimmung der Betriebsgröße zur Feststellung der Betriebsratsfähigkeit zählen allerdings nur die „ständigen“ Wahlberechtigten. Dazu gehören auch Teilzeitbeschäftigte, nicht jedoch zum Beispiel Aushilfen. Wird ein Arbeitsplatz ständig besetzt, so zählt er mit, auch wenn der Arbeitsvertrag jeweils befristet ist.
3. Initiatoren der Wahl. In betriebsratsfähigen Betrieben ohne Betriebsrat können drei Wahlberechtigte oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft die Wahl initiieren (§17 Abs. 1, 2 BetrVG) und notfalls gerichtlich durchsetzen (§17 Abs. 3, 18 Abs. 1 Satz 2 der BetrVG). Hier drückt sich die Vorstellung des Gesetzgebers aus, daß jeder betriebsratsfähige Betrieb einen Betriebsrat zu wählen hat. Es bedarf dafür keiner Mehrheit der Beschäftigten. Im Extremfall genügt ein gewerkschaftlich Organisierter im Betrieb zur Einleitung der Wahl.
In betriebsratslosen Betrieben wird der Wahlvorstand, der die Betriebsratswahl leitet (§18 BetrVG), durch die Betriebsversammlung gewählt, zu der mindestens drei Wahlberechtigte oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen (§17 Abs. 1 BetrVG). Gelingt das nicht, kann das Arbeitsgericht auf Antrag den Wahlvorstand bestellen (§17 Abs. 3 BetrVG).
Existiert bereits ein Betriebsrat, werden Neuwahlen durch diesen veranlaßt. Zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit bestellt er den Wahlvorstand (§16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Besteht acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit noch kein Wahlvorstand, so bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag dreier Wahlberechtigter oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft (§16 Abs. 2 BetrVG).
4. Wahlvorstand. Der Wahlvorstand ist in der Regel dreiköpfig, er kann Wahlhelfer gemäß §1 Abs. 2 Wahlordnung (WO) hinzuziehen. Der Wahlvorstand genießt besonderen Kündigungsschutz (§15 KSchG, §103 BetrVG). Er kann seine Aufgaben während der Arbeitszeit erfüllen ohne Entgeltabzüge. Alle Kosten trägt der Arbeitgeber (§20 Abs. 3 BetrVG).
Edgar Peter
Der Autor ist ein an der Universität Bremen mit Schwerpunkt Arbeitsrecht ausgebildeter Volljurist.
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