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Südkoreas Opposition macht nicht mehr mit

■ Präsident Roh Tae Woo hat die Forderung der Opposition nach Neuwahlen als nicht verfassungsgemäß zurückgewiesen / Der Rücktritt von achtzig Oppositionsabgeordneten aus Protest gegen Gesetzespaket sorgt für innenpolitischen Wirbel

Aus Seoul Peter Lessmann

Der südkoreanische Parlamentspräsident Park Jyum Kyu von der regierenden „Demokratischen-Liberalen Partei“ (DLP) hatte es Anfang dieser Woche besonders eilig. „Keine Zeit!“ fuhr er die Oppositionsabgeordneten der „Partei für Frieden und Demokratie“ (PPD) an, die ihren angedrohten Massenrücktritt aus der Nationalversammlung offiziell machen wollten. Aber zur Beerdigung des Präsidenten der zweiten südkoreanischen Republik Yoon Po Sun kam Park am Montag dann doch zu spät. Statt dessen wurde das südkoreanische Parlament beerdigt, behaupten böse Zungen. 69 PPDler, angeführt von ihrem Chef Kim Dae Jung, umlagerten Parks Büro und überreichten ihm dort ihre Rücktrittsgesuche. Die aufmüpfige Opposition ist nicht mehr zu Gesprächen bereit und fordert Neuwahlen im schon nächsten Jahr, die regulär erst für 1992 vorgesehen sind.

Südkoreas Parlament ohne Opposition - was war geschehen? Der Knatsch in der Nationalversammlung begann vor gut einer Woche. In einer Blitzaktion hatte die machtvolle DLP 26 Gesetze in nur 30 Sekunden, ohne jegliche Beratung, verabschiedet - mit Augenzwinkern, wie Augenzeugen berichteten. „Wir hatten gar keine andere Wahl“, rechtfertigte die Regierungspartei das Hauruckverfahren, „die PPD blockierte gewaltsam alle Beratungen.“

Kim Dae Jung hält dagegen: „Die DLP tut, was sie will. Uns blieb da nur noch reine Obstruktionspolitik.“ Die Vorgänge im Parlament, so der Oppositionspolitiker vor der Seouler Auslandspresse weiter, sei bezeichnend für das Demokratieverständnis der Regierung. Nachdem eine Handvoll Abgeordneter der kleinen „Demokratischen Partei“ ihren Rücktritt gleich im Anschluß an das Parlamentsspektakel eingereicht hatten, entschloß sich die PPD zu einer Massenaktion.

Vorausgegangen war dem Gepolter in Südkoreas Parlament die Absicht der Regierungspartei, verschiedene Gesetze noch vor der Sommerpause durchzuboxen. Unter den 26 Vorlagen waren eigentlich nur zwei heftig umstritten, nämlich die Revision des Gesetzes über die Organisationsstruktur der südkoreanischen Streitkräfte und die Neufassung des Rundfunkgesetzes.

So war vorgesehen, die Kommandogewalt über Heer, Marine und Luftstreitkräfte in die Hand eines Oberbefehls zu legen. Dieses Vorhaben, so argumentierte die Opposition, würde jedoch den Militärs eine zu starke Machtposition einräumen. Die Pläne der Seouler Führung seien nichts anderes als eine anachronistische Regelung zu einer Zeit, in der der kalte Krieg ein Ende finde, meinte PPD-Vorsitzender Kim.

Kontrovers auch die Revision des Rundfunkgesetzes, in dem es unter anderem um die Einführung einer privaten Fernsehanstalt und einer stärkeren Regierugskontrolle beim staatlichen Rundfunksender KBS ging.

Seit dem Maulkorb für die Medien unter den vergangenen Militärdiktaturen werden Staatseingriffe in das Pressewesen jedoch mit besonderem Argwohn betrachtet; zumal Präsident Roh Tae Woo in seiner Demokratisierungserklärung von 1987 eine freie Presse zugesichert hatte. Nach dem Gesetzescoup im Paralment drohten die KBS-Beschäftigten in den Ausstand zu treten. Doch die erhitzten Gemüter beruhigten sich schließlich. Medienwissenschaftler und Journalisten fürchten aber einen zunehmdenden Einfluß der Staatsmacht auf Presse und kritische Mediengewerkschaften.

Die zurückgetretenen Abgeordneten, die auch auf ihre Parlamentsgehälter verzichten wollen, suchen derzeit Unterstützung von außen und bereiten einen Zusammenschluß aller Oppositionskräfte vor: Hunderttausende beklatschten am vergangenen Wochenende in einer friedlich verlaufenden Anti -Regierungsdemonstration die Forderungen der PPD nach Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. DLP-Sprecher Park Hee Tae sieht darin jedoch erste Anzeichen von Umsturz und Gewalt: „Wir sind besorgt“, lautete seine harsche Kritik, „daß Kim Dae Jung nicht verhandlungsbereit ist und stattdessen versucht, eine gewaltsame Revolution anzuzetteln.“

Am Mittwoch forderte Staatschef Roh die Abgeordneten erneut auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Regierungspartei ist auch nicht bereit, den Rücktritt der Parlamentarier zu akzeptieren. „Dies ist nicht verfassungsgemäß und gegen den nationalen Konsens gerichtet“ und entspreche auch nicht den Erwartungen der Menschen, wurde Roh Tae Woo vonm Präsidentensprecher zitiert. Die Auflösung der Nationalversammlung paßt der DLP nicht ins Konzept. Sie ist auch verfassungsrechtlich nicht ganz einfach durchzusetzen.

Der eigentliche Grund des Konflikts zwischen Seouler Führung und Opposition liegt jedoch tiefer. Die Partei Kim Dae Jungs hat es der Regierung nicht verziehen, daß sie sich zum Jahresanfang mit zwei ehemaligen Oppositionsparteien zu einer machtvollen Allianz, der Demokratisch Liberalen Partei, zusammenschloß.

Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament änderten sich auf einen Schlag. Die Regierung Roh Tae Woos konnte auf eine Zweidrittelmehrheit im Parlament zählen. Zuvor hatte die Regierungspartei lediglich 127 der insgesamt 299 Sitze im Parlament inne. Und die, die außen vor blieben, witterten nicht ganz zu Unrecht Verrat am Wählerwillen. Schon zum Zeitpunkt der Fusion fordertee die Opposition Neuwahlen.

Vor elf Jahren hatte es schon einmal einen Auszug der Opposition aus der südkoreanischen Nationalversammlung gegeben. Damals ging es um den Abgeordneten Kim Yong Sam, der unter dem Regime des Präsidenten Park Chong Hee 1979 aus der Nationalversammlung geschmissen wurde. Doch die Zeiten ändern sich: Heute sitzt der ambitiöse Kim auf der anderen Seite, als zweiter Mann in der DLP-Hierarchie, und spekuliert auf die Roh-Nachfolge.

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