Vom Poly-Sex zum No-Sex

■ Betrachtungen über die erschwerten Verkehrsregeln bei der Vereinigung

Anstelle der deutsch-deutschen Kopulationseuphorie und des permanenten Politorgasmus heute mal die veränderten individuellen Vereinigungsstrategien und -diskurse im Wandel von den sechziger Jahren bis heute.

Zwischen bürgerlicher Unterdrückung und ihrer Propaganda und gelebter oder verordneter Promiskuität bewegt sich die veröffentlichte Sexualität, der großspurig so genannte sexuelle Diskurs in den letzten 25 Jahren und folgt dabei manisch-depressiven Zyklen, wie sie die Psychoanalyse beschreibt. Auf impulsneurotisch manisch-exhibitionistische Phasen in den Veröffentlichungen seit Ende der siebziger Jahre, in denen anscheinend jeder S-8-Künstler abspritzen mußte vor der Kamera, in denen die Fellationierungen nicht nur in der männlichen Off-Literatur überhandnahmen, in denen ein leidenschaftlich SM-angehauchter Kultfilm den nächsten jagte, in denen alle sich zwanghaft ausziehen mußten, im Englischen Garten oder anderswo, folgte die depressive Phase, deren Ende wir uns nunmehr so langsam nähern, in der Nacktheit verpönt, Onanie gefördert (Pilgrim) und schließlich No-Sex angesagt war.

Die französischen Zyklen sind ähnlich. Nur passierte dort alles - zumindest in der sexinteressierten Intellektuellenszene - wenigstens zehn Jahre früher. Die Bücher des „neuen Mystikers“ (Sartre) und Erotomanen Georges Bataille erschienen zwischen 1928 und 1961, Deleuze/Guattari propagierten 1968 in ihrem Anti-Ödipus das freie Flottieren polymorph-perverser Begierden, Anfang der siebziger Jahre rehabilitierte Deleuze in einem romantischen Aufsatz den Masochismus (Vorwort zu Sacher-Masochs Venus im Pelz), und 1976 erschien Foucaults erster Band von Sexualität und Wahrheit und entlarvte den sogenannten Diskurs der Sexbefreiung als übelst repressiv, und der schöne Traum vom freien Sex schien schon zu Ende zu sein. Und dann kam Baudrillard und schrieb Oublier Foucault (Vergeßt F.) und sagte, daß die Geschichtszyklen schon lange zu Ende seien und, obgleich Realität immer noch beschrieben werde, es sich doch „nur mehr um eine Papiersorte“ handele, und das „Leuchten“ der Begriffe hätte „an Schönheit vielleicht das gewonnen, was an innerer Bedeutung verlorengegangen ist“. In Deutschland werden die unterschiedslos so genannten Franzosen allgemein erst seit Anfang der Achtziger rezipiert, und man ist immer noch dabei.

Zwischen selbstbestimmtem SM, freiwilliger Promiskuität und autonomem No-Sex spielt Sexualität zunächst im Veröffentlichten. Jede beginnende oder zu Ende gehende Dekade kennt ihre mehr oder weniger ernst gemeinten Prophezeiungen, Abhandlungen, ihre das alltägliche Geschehen begleitenden Berichte zum „Thema Nummer eins“. Zu thematisieren, wie es denn nun werden würde mit dem Sex oder mit der Liebe in den Neunzigern, mit Deiner Beziehung in Zukunft ('Miss Vogue‘), ließ sich kaum eine Zeitung von 'Bild‘, 'BZ‘, 'MoPo‘ bis zu 'Tempo‘, 'Wiener‘, den verschiedenartigen Ausformungen der 'Vogue‘, zu 'Stern‘, 'Spiegel‘ etc. entgehen.

Geschlechterdifferenz

Die achtziger Jahre waren zunächst durch eine Betonung der Differenzen zwischen den Geschlechtern und zwischen den passiven und aktiven Sexpartnern gekennzeichnet. Die Sehnsucht nach Raffinement, Geheimnis und Verhüllung, die Sehnsucht nach der großen romantischen Liebe wurde thematisiert. Im französischen Gewand wurde Nietzsche wieder Mode. Das war auch nötig, denn „wir“ hatten ja den Sex „gelähmt, domestiziert und enteiert“, wie Anne Urbauer im Januar-'Tempo‘ feststellte. Gegen die Enteierungen, für lüsterne Heterosexualitäten wurden Filme wie Carmen oder Dirty Dancing usw. gedreht. Gegen die drohenden Androgynisierungen besannen sich Frauen- und Männergruppen auf das Spezifische ihres eigenen Geschlechts. Luce Irigarays Das Geschlecht, das nicht eines ist, 1979 bei Merve erschienen, wurde mit einer Neuauflage des ältesten Weiblichkeitskonzepts zum immer noch in autonomen feministischen Literaturwissenschaftsseminaren vieldiskutierten Hit. Im Unterschied zum Mann, so schreibt sie, sei die Frau ständig und unmittelbar sexuell affiziert: „So ist zum Beispiel die Autoerotik der Frau von der des Mannes sehr verschieden. (...) Die Frau berührt sich durch sich selbst und an sich selbst, ohne die Notwendigkeit einer Vermittlung und vor jeder möglichen Trennung von Aktivität und Passivität. Die Frau berührt sich immerzu, (...) da ihr Geschlecht aus zwei Lippen besteht, die sich unaufhörlich aneinanderschmiegen.“ Das Verdienst, diese Lippen besonders hübsch und genau in ihren Büchern aufgezeichnet zu haben, gebührt der amerika nischen Popschriftstellerin Kathy Acker, die seit ein paar Jahren das Schreiben lehrt an amerikanischen Universitäten und in deren Werken ganz besonders ausgiebig gefickt, gebumst und geblasen wird.

Es erschienen: Otto Weiningers Geschlecht und Charakter (Matthes & Seitz), Sacher-Masochs gesammelte Werke (Insel); Theodor Reiks Aus Leiden Freuden . Masochismus und Gesellschaft (Fischer) wurde zum Hit, Elfi Mikesch und die Hamburgerin Monika Treut drehten die Grausame Frau nach der Vorlage von Sacher-Masoch als durchgestylten Lesbenfilm. Monika Treut lieferte das Buch zum Film (Roter Stern). Anfang der Achtziger war der etwas debil-kuschlige Tod des Märchenprinzen der Tophit, Ende der Achtziger erschienen die Sextips für Girls. Wo Anfang der achtziger Jahre Frauen noch über ihre Brüste sprachen, bekennen sie sich Anfang der neunziger Jahre zum Masochismus. Der 'Stern‘ fügt hinzu, daß es nicht um „Trendmasochistinnen“ ginge. Es erschienen tausend Nachfolgebücher zu Thema und Mode, Aufsatzsammlungen für und wider Sadomasochisten, Keusche und Romantiker (Rowohlt), die Werke des philosophischen Erotomanen Georges Bataille sowie eine auf drei Bände - der zweite kostet als Paperback schlappe 98 Mark - projektierte Thanatographie des gleichen Autors und nun, im Sade -Jahr, beginnt man bei Matthes & Seitz mit der Herausgabe des Hauptwerks „des göttlichen Marquis“ - wie sich Studenten nicht entblöden, ihn zu nennen. Die neue Justine oder Vom Mißgeschick der Tugend gefolgt von der Geschichte ihrer Schwester Juliette oder Vom Segen des Lasters erscheint erstmalig in deutscher Sprache in der Übersetzung zweier 22jähriger Literaturwissenschaftsstudenten aus Zürich. Im Vorwort danken sie ihren Eltern, „die unserem Sade-Studium keine moralischen Schranken setzten und uns bereits vor unserem 18. Geburtstag mit der Übersetzung des Werkes beginnen ließen“.

Inwieweit sich die Veröffentlichung als Praxis auf die mit den Körpern praktizierte Sexualität auswirkt und umgekehrt, ist ungeklärt. Festzustellen ist, daß es in den achtziger Jahren einen Trend zu schwarzen „Dessous“ gab, auf dem Hippiefestival in Roskilde gab es dieses Jahr ein SM-Zelt mit entsprechenden Utensilien, und in den Stadtillustrierten gibt es seit ein paar Jahren die Rubrik „Harte Welle“, wo nicht nur nach Peitschen- und Fesselkünstlern, sondern auch nach „Kaviar“ (Scheiße) und „Natursekt„-FreundInnen (Pisse, Kürzel: „NS“) gesucht wird.

Unsere Phantasie, so schreibt der Marburger Philosoph Gerd Mattenklott, wird in den neunziger Jahren befreit, weil „unsere Imagination nicht mehr durch Katastrophen, Kriege, Auseinandersetzungen absorbiert“ sei. Statt dessen, so folgert frau bei 'Tempo‘, wird es „Sex als Gesamtkunstwerk“ geben. „Ästhetik der Existenz“ (Foucault) sei angesagt und „Ethnosex“ sowieso: „Warmes Licht aus dicken Altarkerzen, betäubender Weihrauch und Lampione schaffen eine mystische Atmosphäre und schalten langsam den Verstand ab. Sex wird zu einer kultischen Handlung. So kehren wir endlich ins Paradies zurück, aus dem uns das Christentum vertrieben hat.“ ('Tempo‘).

Denkste. Denn zunächst ist dies Paradies ein Paradies der Worte und Bilder. Der Pornomarkt boomt weiter - nicht zuletzt dank der DDR-Männer. Als Fortsetzung der Kinderpornographie mit anderen Mitteln fand die 'Stern' -Serie zur Jahreswende über Das geheime Geschäft mit der schmutzigen Pornographie . Kinderschänder reißenden Absatz, doch in Wirklichkeit ist die Krise ausgebrochen: „Psychologen: Sexprobleme nehmen drastisch zu“. „Je unbefangener wir scheinbar mit der Sexualität umgehen, um so mehr Probleme tun sich hinter den Fassaden auf.“ ('Freundin‘, 6. Juni). Die neue Lustlosigkeit ist ausgebrochen, und das „LSD-Syndrom“ („low sexual desire“) geistert herum. Als „Lustkiller“ benennt die 'Freundin‘ den „Streß, erfolgreich zu sein“, die „Jagd nach dem Trend“, „die Sex-Vermarktung“, den „Statistik-Wahn“, „die Faszination Computer“ und „die Sucht nach Harmonie“.

Der erste deutsch-deutsche Sexologenkongreß stützt die Analysen der 'Freundin‘: „Ost-Menschen lieben sich doppelt so häufig wie ihre westlichen Brüder und Schwestern. (...) West-Männer sind öfter impotent.“ Das käme daher, so berichtet 'Der Morgen‘ am 14. Juli, weil sich vor allem Männer, bevor sie zur Sache kämen, soviel Gedanken machen, daß sie dann nicht mehr zur Sache kommen könnten. Das erschwert die „totale Lust“ in der Wiedervereinigung. „Die emanzipierten Ost-Mädchen haben keine Orgasmusprobleme und geben in der Liebe den Ton an. Dementsprechend gehandicapt sind die Herren der Schöpfung, aber das merkt man erst, wenn man sie flachgelegt hat.“ In Wirklichkeit liegt's allerdings an den Frauen: In der „Kiste“ geht's „eher bodenständig als phantasievoll zu“ ('Wiener‘). Der Westmann, so läßt sich folgern, sollte wohl doch lieber nach Thailand fliegen. Denn im Westen sind männliche Identitätskrisen ausgebrochen, glaubt man einer 'Spiegel'-Serie. Gegen diese Krisen wappnet sich der Mann, glaubt man der taz, mit neuentdeckter kollektiver Identität, von der sich Frauen gerade verabschiedet haben.

'Männervogue‘ und 'Bild‘ versuchen diesen Krisen materialistisch zu begegnen: Frauen, so schreibt die 'Bild' -Zeitung, finden ein „großes, starkes Glied“ einfach besser, und die 'Männervogue‘ versucht mit dem „härtesten Sextest aller Zeiten“ dagegenzuhalten. Die Träger eines „großen, starken Glieds“ wähnen sich zwar erst mal aus der Schußlinie, aber ab wann denn nun „Gardemaß“ ('Freundin‘) erreicht sei, wird nicht gesagt. So werden sie zurückgeworfen auf infantile Penisgrößenvergleiche.

In 'Miss Vogue‘ wird versucht, mit beschränkter Gefühlsökonomie der eventuell anfallenden Liebesproblematiken Herr zu werden. Der kleinen Miß (nach einer Leserinnenumfrage wird sie nun gesiezt), die im Urlaub eventuell von sexuellen Begierden übermannt werden sollte, wird „Nouvelle Sex“ empfohlen:

„Wenn's doch sein muß: Halten Sie sich an die Methode des Nouvelle Sex. Nichts ist widerwärtiger, als nach einer versoffenen Nacht neben einem Fremden aufzuwachen. Daher bedeutet Nouvelle Sex: Nach zahllosen Umarmungen, Küssen und Kuschelsex kann - ganz zum Schluß - der erste und letzte Beischlaf zur Krönung einer Affäre werden. Nur so retten Sie sich vor vorzeitigem Liebesverlust.“ (Juli-'Miss Vogue‘).

„Nur so retten Sie sich vor vorzeitigem Liebesverlust ...“

No-Sex

und Anti-Sex

No-Sex ist angesagt: „No-Sexler wollen keine neue Prüderie oder gar Sexverbote, sondern sexfreie Zonen, sexfreie Werbung und keine Diskriminierung von No-Sexlern. Die Kampagne zur Desexualisierung wird der Konflikt des Jahres 2000 sein“, schreibt 'Tempo‘ in seiner Januarnummer.

No-Sex klingt nicht nur zufällig so wie Nonsens. Die No -Sexler der Neunziger sind als Popularisierung der Punkmode der Siebziger (Sid Vicious sprach von Sex abfällig als „Fünf -Minuten-Gequietsche“), des New Yorker Kunsttums der Achtziger - an der Spitze machte sich Andy Warhol stark für Sexverzicht - aus ästhetischen Gründen ins öffentliche Bewußtsein getreten und haben die „TrendmasochistInnen“ ('Stern‘) im Sade-Jahr abgelöst.

Nicht nur die Frauenzeitschrift für Besserverdienende 'Viva‘ machte No-Sex zum Titelthema. „Jutta Kowalski ist 48, sieht aus wie 38 und gibt sich wie 28“, so beginnt die Februarreportage. Orgasmuse (-müse, -möse) haben alle bekennenden No-SexlerInnen schon mal gehabt, und genauso natürlich sind unter den No-Sexlern keine „Verklemmten dabei, keine religiösen Spinner“, sondern alles sind „selbstbewußte Leute, die man vor zwanzig Jahren auf den Barrikaden der sexuellen Revolution vermutet hätte“. Plötzlich jedoch entdecken sie, daß sie in ihrer Sexualität gesellschaftlich verordneten Mustern gefolgt sind. „Die sexuelle Revolution, so sagen sie, sei nach hinten losgegangen“, Freud sei an allem schuld. „Eine einfache nette Frau, der man diese Entschlußkraft fast nicht zutrauen möchte“, verzichtet für zwei Jahre „mitten im Examen zu ihrem Modedesignstudium auf Sex“.

No-Sexler weichen „auf andere Befriedigungen aus (von denen es heute allerdings auch mehr gibt als noch vor zwanzig Jahren)“, sie stürzen sich in Arbeit, Freizeit oder ins eigene Ego“.

In Berlin geht der Nachtschwärmertrend zum Kuscheln. Karin steht auf nichts anderes mehr. Sie steht nicht allein. Viele „Kinder von Ernie und Bert“ (Artforum, NY) wollen Liebe und können sie beim Sex nicht finden. „Die Unlust, die Nacht allein zu verbringen“, wie Antje sagt, treibt sie umher. Oft trifft sie jemanden, nimmt ihn mit oder geht zu ihm, um neben ihm zu liegen. Dann will sie „nur erzählen“. Antje hat einige Beziehungen, die sich alle aufs „Kuscheln“ beschränken.

Was heißt „Kuscheln“? - „An sich darf man überall anfassen

-du faßt doch auch deinen Teddy überall an.“ Nur der Orgasmus sei „ausgeschlossen“. Mit ihren großen braunen Augen guckt sie mich an und berichtet, daß ihre Freundinnen, die aufs Kuscheln stehen, allesamt auch Teddys besitzen.

Die neue Kuschligkeit beschränkt sich nicht nur auf Frauen. Immer mehr Männer sind dabei und machen mit. Die vorgeblich schuldlose Naturgegebenheit „dicke Eier“, von der Männer früher als Fatum berichtet hätten, um die Frau noch dazu zu bringen, ihnen wenigstens „einen runterzuholen“, sei durch männliche Kuschelfreuden inzwischen widerlegt. Beim Sex fühlen sie sich ausgeliefert, und außerdem, so beklagen sie, findet man dabei keine Liebe. Praktisch ist das auch noch: „Das spart Bettwäsche.“ Ihre Freundin, die 24jährige Medizinstudentin Kerstin, die es eine Zeitlang mit „Sado -Maso-Spielen in der Badewanne“ versucht hatte, hat nun ein Schild vor ihre Tür gemacht. „Askeseclub“ steht drauf. Dem Kuscheln ist auch sie nicht abgeneigt.

Als Liebessüchtige handeln KuschlerInnen, als bringe jede Spannung ein gefährliches Trauma mit sich. Ihre Handlungen sind auf Spannungsabbau hin orientiert. Wie sonst nur im Masochismus zeigt sich in der Kuschelsucht eine dialektische Verbindung von Triebbefriedigung und Triebabwehr. Keusche vertrauen auf die „kraftspendende Wirkung des Lustverzichts“. Sie wollen zwar keine Unabhängigkeit vom Mann, aber Unabhängigkeit von „niedrigen Bedürfnissen“, wie Gabrielle Brown, Amerikanerin, in Liebe ohne Sex schreibt. Der Körper wird wieder „Bruder Esel“ geheißen.

DDR-Frauen finden die neue westliche Kuschligkeit fürchterlich. Zum Kuscheln „haben wir doch unsere Kinder“, findet Yvette, eine 25jährige Kellnerin, und „wenn das alles ist, was die brauchen“, so Margot, Journalistin, „sind die ganz schön arm dran“.

Einige beschweren sich jedoch immer noch wie der AL -Abgeordnete Kurt Hartmann: „Wenn es ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung gibt, wie es der 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches postuliert“, so schreibt er in der taz, „sind nicht allein Opfer sexueller Gewalt zu beklagen, sondern auch Opfer antisexueller Gewalt. Viele Schwule sind zum Beispiel Opfer solch antisexueller Gewalt. Sie sind in ihrer Kindheit und Jugend mit dem Anderssein völlig alleingelassen, mit ihrer Sexualität auf sich selbst fixiert. Die Folgen sind (...) Verschlossenheit, Wahrnehmungsstörungen, Selbsthaß (...) , Drogensucht, mitunter auch Kriminalität, Zurückgezogenheit, Kontaktstörungen, Hysterie u.a.“ (taz vom 12.3.90).

Doch inzwischen befinden wir oder die Jüngeren unter uns sich wahrscheinlichvielleichthoffentlich sowieso in einer Zeit, in der die unterschiedlichsten He -/She-Symbole souverän gebraucht werden können, weil ihre Benutzer und Herzeiger Sexualität in einem kindlichen Paradies sofortiger Erfüllung erleben, wie ein New Yorker Kunstmagazinartikel ('Artforum‘) unter dem Titel The children of Ernie & Bert zumindest andeutet. Vielleicht hat auch die geheimnisvolle 'Spex'-Kunstdichterin recht, wenn sie in einem besonders schönen Artikel zur Einführung in die Neunziger allen und sich selbst mehrmals und unvermittelt ein schönes „Ausziehen!“ zuruft. Interessant sind Verschiebungen, die das eigene Begehren ironisieren. Wie die einer Freundin, die sich ihre Sexspielsachen, Handschellen, Kinderpeitschen in Spielzeuggeschäften oder in den Kindershops der Karl-May-Festspiele kauft.

Detlef Kuhlbrodt