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Tödliche Hinterlassenschaften

■ Sri Lanka im Schatten der Weltpolitik

Was zum Teufel geht im Norden und Osten Sri Lankas vor?“ fragt die in Colombo erscheinende 'New Saturday Review‘ und gibt sich dann selbst die Antwort: „Genau weiß es wohl niemand.“ Der brüchige einjährige Frieden zwischen den tamilischen „Befreiungstigern“ (LTTE) und der Regierung in Colombo ist seit Mitte Juni zu Ende. Der Kampf gegen den gemeinsamen Feind - die indischen Truppen - hatte aus den früheren Kontrahenten vorübergehend so dicke Freunde gemacht, daß Optimisten - allen voran die Tourismusindustrie - schon wieder die Rückkehr zur Normalität für die Inselrepublik prognostizierten. Aber offenbar war keine Seite ernsthaft daran interessiert, nach dem Rückzug der Inder für die seit Jahrzehnten bestehenden mannigfaltigen Probleme der tamilischen Minderheit eine angemessene politische Lösung zu finden. Während sich die ehemaligen Erzfeinde jüngst (nach außen) nur so mit Komplimenten überschütteten, rüsteten beide schon wieder für einen neuen militärischen Konflikt. Jetzt stehen sich 80.000 singhalesische Soldaten und 15.000 tamilische „Baby Tiger“ gegenüber, so werden die meist nicht einmal 15jährigen LTTE -Kader genannt. Dabei sind die Kontrahenten „besser“ ausgerüstet als je zuvor: Die bankrotte Regierung Premadasa, die sich gerade von ihren militärischen (Mord-)Aktionen gegen die aufständische singhalesisch-radikale „Volksbefreiungsfront“ (JVP) im Süden der Insel zu erholen schien, hat nach dem Ausbruch der neuen Kämpfe im Norden und Osten flugs mehr als 100 Millionen Mark (Entwicklungshilfe?) zusätzlich für den Verteidigungsetat locker gemacht - unter anderem auch für die Rekrutierung singhalesisch -patriotischer Jugendlicher für die Streitkräfte. Durch ein illegales Besteuerungssystem, Drogenhandel, Raub und Erpressung von Geldern, auch von tamilischen Asylbewerbern im Ausland, verfügt die LTTE über erhebliche finanzielle Mittel - hinzuzuzählen sind die tödlichen militärischen Hinterlassenschaften der indischen Soldaten und der von der LTTE in die Flucht geschlagenen tamilischen Konkurrenz. So scheint - unbeachtet von der internationalen Öffentlichkeit

-ein anhaltender Konflikt vorprogrammiert. Wer ihn letztendlich angezettelt hat, ist angesichts des neuen Propagandafeldzugs beider Seiten kaum nachvollziehbar.

Fest steht, daß erneut 500.000 Menschen auf der Flucht sind: Es sind Tamilen, die vor den marodierenden Streitkräften flüchten, oder Singhalesen, die den brutalen Mordanschlägen der „Befreiungstiger“ in den von ihnen als „Tamilengebiete“ bezeichneten Landesteilen entgehen wollen. Und zwischen den beiden Streitparteien steht die moslemische Bevölkerung im Osten der Insel. Ab wieviel tausend Tote wird sich wohl Europa für diesen Konflikt interessieren?

Walter Keller

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