: Waigel an Ost-Berlin: Haltet's Geld zsamme
■ Keine Steuererhöhung zur Finanzierung der Einheit / Lambsdorff: Lohnabschlüsse in der DDR „unrealistisch“
Bonn (afp/ap) - Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) hat Ost-Berlin zu einer „rigorosen Ausgabendisziplin“ aufgefordert. Gleichzeitig lehnte er gegenüber der 'Welt am Sonntag‘ Steuererhöhungen zur Finanzierung der deutschen Einheit erneut ab. Waigel betonte, „daß nicht zu Lasten des westdeutschen Steuerzahlers täglich neue Forderungen aus Ost -Berlin nachgeschoben werden können“. Ausgabenerhöhende Beschlüsse der DDR-Regierung nach Abschluß des Staatsvertrages, wie zum Beispiel die Erhöhungen der Energiepreissubventionen und höhere Lehrergehälter, „sind gegenwärtig finanzpolitisch unvertretbar“ und stünden den Vereinbarungen mit Bonn entgegen. Die DDR müsse diszipliniert dafür sorgen, daß der von der Volkskammer verabschiedete Etat in dem vereinbarten Rahmen vollzogen werde. „Dies ist keine leichte Aufgabe, aber sie muß geleistet werden.“ Steuerhöhungen in der BRD sind nach Waigels Worten nicht geplant. Obwohl allein 1990 die Steuern um rund 25 Milliarden Mark gesenkt worden seien, könne man nach den jüngsten Steuerschätzungen mit Mehreinnahmen von rund 115 Milliarden Mark für alle öffentlichen Haushalte bis 1993 rechnen. „Wir wären wirklich sehr schlecht beraten, wenn wir diese günstigen Aussichten für die Staatseinnahmen durch Steuererhöhungen zur Finanzierung der Vereinigung gefährden würden.“
Der FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff hat die bisherigen Tarifabschlüsse in der DDR als „unrealistisch“ und zu hoch kritisiert. „Die Betriebe werden das nicht bezahlen können. Und wenn sie es bezahlen müßten, dann müßten sie schließen“, sagte er am Sonntag in einem Interview für die ZDF-Sendung Bonn direkt. Auch die Regelung der Kündigungsfristen zeige mangelnden Realitätssinn. Sie laufe darauf hinaus, daß ein neuer Eigentümer eines Betriebs alle Arbeitsplätze übernehmen müsse. Die Bundesregierung müsse mehr darauf aufpassen, daß es in der DDR nicht zu Fehlentwicklungen komme, die Arbeitsplätze zerstören statt sie zu erhalten und zu verbessern.
Lambsdorff stellte zudem die Verbindlichkeit der Tarifabschlüsse in der DDR in Frage. Sie seien „so verbindlich wie sie sein können in einem System, in dem es Rechtsverbindlichkeit wie bei uns in einem arbeitsrechtlichen System nicht geben kann“. Der FDP-Chef sprach sich gegen weitere finanzielle Leistungen Bonns zur Deckung des Haushalts der DDR aus. Es gebe genügend Bereiche, etwa den Verteidigungshaushalt, in denen die DDR sparen könne.
Die Forderung des SPD-Sozialexperten Günther Heyenn nach einer höheren Anschubfinanzierung Bonns zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit der DDR-Rentenkasse wurde am Wochenende vom Bundesarbeitsministerium als unverantwortliche Panikmache zurückgewiesen. Heyenn erklärte, die Milliardenlöcher in der DDR-Sozialversicherung seien vorhersehbar gewesen. Aus dem Stand heraus ließen sich in der DDR weder in der Sozialversicherung noch in der Finanzverwaltung und im Ministerium für Arbeit und Soziales funktionsfähige Inkasso-Systeme und Verwaltungssysteme aufbauen. Er forderte Arbeitsminister Norbert Blüm zu einer Erhöhung der Anschubfinanzierung von bislang 750 Millionen Mark für die Rentenversicherung der DDR auf. Ein Sprecher des Arbeitsministeriums hielt dem SPD-Politiker entgegen: „Die Renten in der DDR sind sicher“. Jeder Rentner könne sich darauf verlassen, daß seine Rente pünktlich gezahlt werde.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Matthäus -Maier meint, daß die DDR-Regierung zur Aufbesserung der Staatskasse das Vermögen der PDS und der anderen ehemaligen Blockparteien einziehen muß.
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