: Sperrklausel: Immer noch alles offen
■ Von Listenverbindungen bis zur länderbezogenen Fünfprozenthürde ist vieles möglich / Koalitionsgremien sollen gemeinsam das Für und Wider aller Sperrklausel-Varianten erörtern
Berlin (dpa) - Von Mittwoch bis Freitag tagt in Ost -Berlin zum zweiten Mal die große Verhandlungsrunde für den Einigungsvertrag, dessen Entwurf bis Ende August unter Dach und Fach sein soll. Notfalls dürfte dann hier die Einigung über das Wahlrecht fallen. Schäuble wollte sich nach den zweistündigen Verhandlungen in Ost-Berlin mit dem DDR -Staatssekretär Günther Krause nicht zur Frage der Sperrklausel äußern. „Alle wollen einen Konsens“, so Schäuble. Deshalb würden jetzt nicht noch einmal vor der Presse persönliche „Präferenzen oder Prioritäten vorgetragen“. Damit es keinen gesetzlichen Zeitdruck in Sachen Wahlen gibt, wird nach Angaben von Schäuble die Frist im Bundeswahlgesetz verkürzt. Das Rahmenkonzept enthält folgende Möglichkeiten: Die auf die jeweiligen Länder bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel, die auch DDR -Ministerpräsident Lothar de Maiziere favorisiert. Zweitens die Fünfprozentklausel für das Gebiet der DDR und das der Bundesrepublik, die in den letzten Tagen immer weniger Befürworter fand. Drittens die einheitliche Fünfprozentklausel mit Listenverbindungen, durch die kleinere Parteien im „Huckepackverfahren“ in das neue Parlament einrücken könnten. Letzteres wird von SPD und Liberalen befürwortet. Schäuble und Krause gingen davon aus, daß aus diesen Möglichkeiten ein Kompromiß erzielt wird.
Schäuble und Krause versicherten, daß sie in den Koalitionsgremien gemeinsam „das Für und Wider“ aller Sperrklausel-Varianten erörtern wollten. Auf mehrfaches Befragen antworteten sie dann, daß beim Huckepackverfahren die bundesdeutschen Parteien in einer stärkeren Position und die kleineren DDR-Parteien in einer gewissen Abhängigkeit wären. „Wir wollen der Koalitionsrunde die Entscheidung überlassen.“ Parteitaktische Erwägungen müßten aus dem Spiel gelassen werden, so meinten beide übereinstimmend. „Es wäre unfair, fordernd aufzutreten.“
Der Bundesrat soll den Vertragstext zum Wahlrechtsänderungsgesetz am 24. August beraten und ratifizieren, teilte Regierungssprecher Hans Klein in Bonn mit. Zuvor werden am 8. und 9. August Bundestag und Volkskammer zusammenkommen, um den Vertrag zu verabschieden. Viele Abgeordnete, darunter auch Bundeskanzler Helmut Kohl, müssen wegen dieser wichtigen Parlamentstermine zum Teil ihre Ferien unterbrechen.
Die DDR-SPD hat „mit Befremden zur Kenntnis“ genommen, daß der von ihr als Verhandlungsführer in Sachen Wahlgesetz vorgeschlagene Justizstaatssekretär Rolf Schwanitz (SPD) nicht an den Gesprächen beteiligt sei und Krause mit Schäuble allein verhandele. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Bohl, hielt es weiter für „offen“, welche Sperrklauselregelung als Kompromißlösung hervorgeht. Der Vorsitzende der CSU -Landesgruppe im Bundestag, Wolfgang Bötsch, stellte klar, daß nach Auffassung seiner Partei Listenverbindungen zwischen eigenständigen Parteien nicht auf die bevorstehende gesamtdeutsche Wahl „zeitlich begrenzt“ werden.
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