piwik no script img

Liberianer flüchten in deutsche Mission

■ Rund 160 Menschen suchen nach Massaker an mindestens 600 Zivilisten Zuflucht in der deutschen Botschaft in Monrovia / Darunter sind auch acht Bundesbürger, ein Belgier und zwei Niederländer

Monrovia/Bonn (ap/wps) - Rund 160 Menschen haben nach dem Massaker in der umkämpften liberianischen Hauptstadt Zuflucht in der bundesdeutschen Botschaft in Monrovia gesucht. In einer vom Roten Kreuz als Flüchtlingslager hergerichteten Kirche waren Sonntag nacht in Monrovia nahezu 600 Zivilisten - zumeist Frauen und Kinder - von Regierungssoldaten ermordet worden.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte am Dienstag in Bonn, unter den Botschaftsflüchtlingen seien auch acht Deutsche - vier Erwachsene und vier Kinder. Außerdem hielten sich auf dem Botschaftsgelände ein Belgier, zwei Niederländer und rund 150 Liberianer auf, die meist Angehörige von Mitarbeitern der Mission seien.

Die Bundesregierung hatte nach der Evakuierung am 12. und 13.Juni den in Liberia verbleibenden rund ein Dutzend Deutschen angeboten, daß sie in der Botschaft Schutz vor dem Bürgerkrieg finden können. Zur Zeit sei nicht vorgesehen, die Europäer aus Monrovia herauszuholen, sagte der Sprecher. Eine Evakuierung über Land sei nicht möglich, nur mit dem Hubschrauber. Die US-amerikanische Regierung habe angeboten, die Menschen gegebenfalls auf US-Schiffen aufzunehmen, die vor der Küste des westafrikanischen Staates „kreuzen“.

In der Kirche müssen sich Augenzeugenberichten zufolge grausame Szenen abgespielt haben. Mehrere Personen, die angaben, dem Massaker entkommen zu sein, sagten am Montag vor Journalisten, rund dreißig Soldaten des weiterhin im Verteidigungsministerium verschanzten Präsidenten Samuel Doe hätten die Kirchentür mit Maschinengewehren zerschossen und seien dann über die 2.000 in dem Gotteshaus schlafenden Menschen hergefallen. Viele waren schon im Mai in die Kirche geflohen, nachdem Regierungssoldaten sie in einer Uno -Einrichtung angegriffen hatten.

Den Berichten zufolge durchkämmten die Soldaten die zwei Geschosse der Kirche und durchsiebten die am Boden liegenden Menschen mit Gewehrkugeln. Ein Mann berichtete: „Wir dachten, sie wären gekommen, um uns zu befragen. Doch dann begannen sie zu töten, und jeder fing zu schreien an und versuchte sich zu verstecken.“ Die meisten Opfer gehörten laut Augenzeugen den Stämmen der Gio und Mano an, während die Soldaten vom Stamme der Krahn gewesen seien, dem auch Doe angehört. Ein Sprecher der Regierung wies die Angaben zurück, ihre Soldaten hätten das Blutbad angerichtet. In einem BBC-Interview behauptete er, es seien Aufständische in Regierungsuniformen gewesen.

Zum ersten Mal konnten vorgestern westliche Journalisten mit dem Rivalen des Aufständischen Charles Taylor, dem 38jährigen Prince Johnson, reden. Johnsons kriegerische Worte fielen, während seine Truppen in den Straßen Monrovias tote Zivilisten zurückließen: „Wir sind hier, um Doe loszuwerden. Ich will nicht Präsident werden, ich will faire Wahlen. Taylor würde die Wahlen manipulieren.“ Ein Gefolgsmann Johnsons meinte: „Wenn das alles getan ist, gehen wir zurück in den Busch.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen