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Vorwärts zum Spiel nach hinten

■ Bayern München holt sich durch ein 4:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern den Supercup 1990

Aus Karlsruhe Ulrich Fuchs

Weiß der Teufel, woran es manchmal liegt, daß einem so sein Fußballspiel schon von vornherein total vermiest wird. War es die Kollegin, die die Verabredung verpaßte und mich eine halbe Stunde lang vergeblich am Imbiß-Stand ausharren ließ? Waren es die subtropischen klimatischen Verhältnisse, die die Wartezeit noch länger erscheinen ließen? Oder war es das neue deutsche Fußball-Mode-Bewußtsein der Cola- und Wurstkäufer, die dem vernichtenden Urteil internationaler Mode-Designer zum Trotz, gleich scharenweise im weißen Hemdchen mit dem schwarz-rot-goldenen Zackenstreifen (wahlweise mit oder ohne Senf-Fleck und eingedrucktem Weltpokal) erschienen waren?

Umstände, die auch die Tochter des Budenbesitzers nicht unbeeindruckt ließen und ihr, als kurz vor acht die bis dahin bayrisch-volkstümlichen Klänge der Blaskapelle aus dem Stadionrund feierlicher wurden, eine Art Deja-vu-Erlebnis verschafften: „Babba, die schpiele ja d'Nationalhymne.“ Da half dann auch die nüchtern-badische Geschäftstüchtigkeit der Mama - „Schwätz du nit so viel“ - nichts mehr - der Reporter ging mit flauem Gefühl zur Tribüne.

Und es kam, wie es kommen mußte. Puff 1:0, puff 2:0, puff 3:0, puff 4:0 - nicht sonderlich spektakulär, aber effizient. Ohne dem 1. FC Kaiserslautern auch nur den Hauch einer Chance zu lassen, demonstrierte der FC Bayern seine vor der neuen Saison wohl noch größer gewordene Vormachtstellung in der bundesdeutschen Fußball-Szenerie. Nach 27 Minuten und dem 3:0 durch Manfred Bender war der Supercup 1990 bereits vergeben, und daß es danach nicht völlig langweilig wurde, war allein Brian Laudrup zu verdanken, der mit seiner Spielweise das klassische Bayern -System auch weiter konterkarierte.

Nicht nur, daß er bis dahin schon direkt oder indirekt an der Vorbereitung aller drei Bayern-Tore beteiligt war, der pfeilschnelle Dribbelkünstler war auch danach in seiner Spielfreude nicht zu bremsen und wirbelte die Kaiserslauterer Abwehr ein ums andere Mal durcheinander. Aber auch dieser Hoffnungsschimmer verdüsterte sich nach dem Schlußpfiff wieder, als Bayern-Trainer Heynckes erklärte, daß Laudrup „noch viel lernen“ müsse, und dabei auf das „Spiel nach hinten“ verwies.

Immerhin gab es dann zumindest bei dieser Pressekonferenz auch Tröstliches zu beobachten. Obwohl es dem Zusammenspiel zwischen dem vom ehemaligen Stasi-Club FC Berlin gekommenen Mittelfeldstrategen Rainer Ernst mit dem Ex -Bereitschaftspolizisten Stefan Kuntz noch an der richtigen Schlagkraft fehlte, hatte Lauterns Trainer Karl-Heinz Feldkamp durch den Verlauf der zweiten Halbzeit an Zuversicht gewinnen können. Kuntz hatte einmal getroffen, dazu noch einen Elfer versiebt, und einige hochkarätige Chancen waren herausgearbeitet worden, nachdem die Bayern spätestens seit der Auswechslung von Laudrup nur noch dem Schlußpfiff entgegengespielt hatten.

Die miese Laune des Reporters fast besänftigt hat aber erst der Auftritt des Josef („Jupp“) Heynckes. Trotz der wie immer tadellosen Fön-Frisur - dem Mann sieht man an, wie er innerlich schwitzt. Nichts mehr von den vollmundigen Europapokal-Versprechungen nach dem letzten Meistertitel. Auch er fand die zweite Halbzeit „ganz gut“, weil man gesehen habe, „daß der FC Bayern noch Schwächen hat“ und „nicht unschlagbar“ sei.

Aber keiner will es ihm richtig glauben. Und Woche für Woche wird er jetzt auf der Bank sitzen, neben sich die millionenschweren Edelreservisten nebst ihrem schwäbischen Einkäufer, und wissen, er kann nur verlieren.

MÜNCHEN: Aumann - Augenthaler - Pflügler, Kohler Grahammer, Effenberg, Reuter, Bender (68. Sternkopf), Strunz - Mihajlovic, Laudrup (73. Wohlfarth)

KAISERSLAUTERN: Ehrmann - Stumpf (32. Roos) - Lutz, Kadlec Kranz, Dooley, Scherr (56. Hoffmann), Schupp, Ernst - Hotic, Kuntz

ZUSCHAUER: 27.000

TORE: 1:0 Reuter (6.), 2:0 Kohler (19.), 3:0 Bender (26.), 4:0 Strunz (44.), 4:1 Kuntz (61.)

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