: Amnesty international rüffelt Lafontaine
■ ai: Wer Artikel 16 einschränken will, schafft Grundrecht auf Asyl ab / Viele Roma verlassen inzwischen das Lebacher Lager
Berlin (taz) - Beifall aus der Bayerischen Staatskanzlei, herbe Kritik aus der Bonner Zentrale von amnesty international: Während Bayerns Ministerpräsident Streibl die Kehrtwende des SPD-Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine zur Asylpolitik als „Einschwenken auf die bayerische Linie“ beklatschte, hat die bundesdeutsche Sektion der Menschenrechtorganisation amnesty international die Vorschläge des SPD-Politikers zu einer Einschränkung des Grundrechts auf Asyl scharf kritisiert. „Ein Gesetzesvorbehalt - egal, wie er aussieht - ist das Ende von Artikel 16 des Grundgesetzes“, erklärte Katja Krikowski -Martin vom nationalen Sekretariat in Bonn. Zuvor hatte bereits der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft „Pro Asyl“, ein Zusammenschluß bundesdeutscher Flüchtlingsorganisationen, Lafontaine „schäbigen Wahlkampf“ vorgeworfen.
Im Zusammenhang mit einer wachsenden Zahl von Asylantragstellern hatte Lafontaine vorige Woche intensiv im Schlagwortkatalog der CDU/CSU geblättert und war schließlich mit der Forderung nach Änderung des Asylrechts bis hin zur Einschränkung von Artikel 16 an die Öffentlichkeit getreten. So sollen nach Willen des saarländischen Ministerpräsidenten Menschen aus Ländern, „in denen nachgewiesenermaßen keine Menschenrechtsverletzungen mehr vorgenommen werden, wie etwa Polen“ keinen Asylantrag mehr stellen dürfen. In Rumänien sieht Lafontaine dagegen weiterhin Verfolgungsgründe gegeben. Trotz verhaltener Kritik von seiten seiner SPD -GenossInnen bekräftigte Lafontaine seinen Standpunkt gestern in einem Interview mit dem saarländischen Rundfunk. Auf die „Väter und Mütter des Grundgesetzes“ will sich der Kanzlerkandidat nun nicht mehr berufen. Als das Asylrecht im Grundgesetz verankert worden sei, habe man eine völlig andere Situation als heute gehabt.
Erste eigenhändige Abschreckungsmaßnahmen ergriff die saarländische Landesregierung allerdings nicht gegen Polen, sondern gegen die Flüchtlinge, vorwiegend rumänische Roma, im völlig überfüllten Aufnahmelager Lebach (siehe taz von gestern). Seit einigen Tagen wird den Asylantragstellern die Sozialhilfe verweigert, stattdessen werden Naturalien und ein Taschengeld ausgegeben. Gestern folgte prompt die Erfolgsmeldung: Etwa die Hälfte der rund 1.200 bis 1.400 Roma habe das Lager wieder verlassen - ohne Zweifel auch eine Reaktion auf die massive Feindseligkeit der völlig überforderten EinwohnerInnen und Behörden in Lebach, die zum Teil mit Streiks und Demonstrationen auf das „Zigeunerlager“ reagiert hatten.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums haben im Juli 18.855 Menschen in der Bundesrepublik Asyl beantragt, im Juni seien es noch 13.379 gewesen. Die meisten Antragsteller (5.750) aus dem Monat Juli stammen aus Rumänien, 2.280 kamen aus dem Libanon, 1.489 aus der Türkei und 1.135 aus Jugoslawien. In diesem Zusammenhang kritisierte amnesty international gestern auch, daß zunehmend aufenthaltsrechtliche Probleme mit Ausländern auf das Asylverfahren abgeladen würden. Zum Beispiel habe man alle albanischen Botschaftsflüchtlinge ins Asylverfahren geschickt, obwohl - so Krikowski-Martin - „völlig klar ist, daß diese Leute hierbleiben, auch wenn sie abgelehnt werden“.
anb
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