Feinbeiniger Weinheimer Feinblechner

■ Thomas Schwechheimer und der SV 09 Weinheim werfen die Bayern per Elfmeter aus dem Pokal

Aus Weinheim G. Rohrbacher-List

Wo liegt Weinheim? Diese Frage beschäftigte die Bayern bereits am Tag vor dem Spiel in ihrem Mannheimer Domizil. Jürgen Kohler, im linksrheinischen Lambsheim aufgewachsen, wußte Bescheid, ebenso der Schwabe Uli Hoeneß, der in Heimatkunde aufgepaßt hatte. Der Rest der Bayern weiß es spätestens seit dem 4.August 1990, 16.49Uhr.

Der FC Bayern, der zu Beginn der neuen Spielzeit Uerdingen, Mönchengladbach und den Karlsruher SC ihrer Klassespieler Brian Laudrup, Stefan Effenberg und Michael Sternkopf beraubte, um die Klasse des AC Milan zu erreichen, blamierte sich an der badischen Bergstraße ordentlich. Als ehrwürdiger Schauplatz des Geschehens: das Sepp-Herberger-Stadion, mit 10.000 ZuschauerInnen nicht einmal ausverkauft. Aber daran waren die Planer in den Kultusministerien schuld. Ferien sind gerade in Deutsch-Süd-West, da wo Mayer-Vorfelder kritische PädagogInnen trietzt.

Und von denen, die kamen, landeten ettliche bald im Rot -Kreuz-Zelt. Um die 50 Grad waren es auf dem sonnenbeschienenen Spielfeld und auf den unüberdachten Plätzen. Dieser heiße Samstag verlangte Kurpfälzern und Bayern alles ab. Der SV 09 Weinheim, vor wenigen Jahren in der Aufstiegsrunde zur zweiten Bundesliga gescheitert, begann mit viel Respekt vor all den großen Namen, die der Stadionsprecher militärisch-martialisch in das Rund gebrüllt hatte. Zudem blieb der Oberligist zunächst ohne Unterstützung der ZuschauerInnen, eine Fanecke war nirgendwo auszumachen.

Heynckes

gibt Order

Nachdem Brian Laudrup es in der neunten Minute versäumt, das 0:1 zu machen, steht Jupp Heynckes zum ersten Mal von der Bank auf, noch ohne das Ende auch nur zu erahnen. Kurz darauf klärt Aumann gegen den späteren Torschützen. Der erste Zuschauer kippt um. Dann ein falscher Abseitspfiff gegen die Weinheimer, erste starke Solidaritätsbekundungen.

Schicksalsminute für die Bayern, die 28.: Baumann fällt im Strafraum (Heynckes: „Der Elfer war keiner.“), Schwechheimer vom weißen Punkt - 1:0. Noch ahnt niemand die Sensation, zu jung ist das Spiel, zu stark (mit Kögl, Wohlfarth, Sternkopf und McInally) die Bank der Bayern. Aber der alle überragende Ralf Kohl, ein 24 Jahre alter Dreher, den sich gerade Borussia Dortmund hat durch die Lappen gehen lassen, rettet dem SV 09 den Vorsprung in die Pause, er beherrscht Laudrup souverän, läßt ihm kaum Raum.

Als auch zehn Minuten nach dem Wiederanpfiff noch kein Bayern-Treffer gefallen ist, kommen Kögl und Wohlfarth für Bender und Totalausfall Effenberg. Nun ist Torhüter Matthias Arnold gefordert - dreimal ahnt er die richtige Ecke, Augenthaler, Reuter und Wohlfarth verzweifeln, Uli Hoeneß lehnt schon längst nicht mehr lässig abwartend auf der Bank.

Heynckes

steht auf

Nach 65 Minuten steht es immer noch 1:0 für Weinheim. Nun beginnt die Gelbphase des Spiels. Augenthaler, Grahammer und Reuter erwischt es, ihre Nerven liegen offenbar blank. Die Amateure Kohl und Baumann können hingegen ihren Übereifer kaum bremsen und sehen ebenfalls den gelben Karton. Tore: weiterhin Fehlanzeige. Schlußoffensive der Bayern, Wohlfarth und Grahammer verfehlen knapp, auf der Gegenseite rettet Aumann vor Schwechheimer. Bayern macht Druck, Weinheim kontert. Als sich Kohl in der 90. Minute auf und davon macht gen Raimond Aumann, dreht Thomas Strunz durch, sieht dafür rot. Sekunden später: Schlußpfiff. Weinheim steht Kopf.

Heynckes

geht einsam

„Total verausgabt“ hätten sie sich und „engagiert gekämpft“, die Amateure, all das gemacht, was seine Mannschaft nicht getan habe, und überhaupt sei der Sieg der Weinheimer verdient, schwärmte der gestreßte Bayern-Trainer von den Badenern. Die bedankten sich bei Jonathan Bonfanti, dem 16jährigen Hotelpraktikanten aus Erberg, der das Weihnheimer Glücklos zum „Jahrhundertspiel“ (Stadionzeitung) gezogen hatte und auf Einladung der Sponsoren dabei war.

Für den säuerlich lächelnden Jupp Heynckes gab es einen Bildband über Weinheim, zur Erinnerung. Welch Häme. Und zur geographischen Orientierung, sollt der Weg des FC Bayern und/oder des Jupp Heynckes wieder einmal an die Bergstraße führen.