Optimismus beim Treffen in Pretoria

■ Beim zweiten Gespräch Regierung-ANC ging es um die Knackpunkte Waffenstillstand, politische Gefangene und Rückkehr Exilierter / Nächste Etappe wird Prozedur für neue Verfassung sein

Aus Pretoria Hans Brandt

Hinter verschlossenen Türen trafen sich gestern jeweils fünfköpfige Delegationen der südafrikanischen Regierung und des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) in Pretoria. Trotz scharfer Kontroversen in den letzten Wochen über ein angebliches kommunistisches Komplott zum Sturz der Regierung waren beide Seiten vor Beginn der Gespräche optimistisch. Auf der Tagesordnung stand die Entfernung von Hindernissen auf dem Weg zu Verhandlungen über eine neue südafrikanische Verfassung. Dabei wurde jetzt eine endgültige Übereinkunft über die Freilassung politischer Gefangener und die Rückkehr von Südafrikanern aus dem Exil erwartet. Verschiedene Kommentatoren hofften sogar auf die Suspendierung des bewaffneten Kampfes des ANC.

Die Delegationen unter Führung von Mandela und de Klerk sind im Vergleich zur ersten Runde Anfang Mai stark reduziert worden. Zur Regierungsdelegation gehören auch Verfassungsminister Gerrit Viljoen, Außenminister Roelof „Pik“ Botha, Justizminister Kobie Coetsee und Adriaan Vlok, der Minister für Recht und Ordnung.

An Mandelas Seite befinden sich ANC-Generalsekretär Alfred Nzo, Joe Modise, Leiter der ANC-Armee, und Thabo Mbeki, der ANC-Beauftragte für Internationales. Entgegen aller Versuche von Regierungsseite, seine Teilnahme zu torpedieren, ist auch Joe Slovo, Generalsekretär der südafrikanischen kommunistischen Partei, mit dabei.

Bei dem ersten Treffen im Mai wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe von ANC und Regierung einberufen, die sich seitdem mit der Definition einer Amnestie für Mitglieder von Befreiungsbewegungen befaßt hat. Eine solche Definition, die sich offenbar stark an ähnlichen Bestimmungen in Namibia orientiert, ist nun erreicht worden. Das würde zur Freilassung von etwa 1.300 politischen Gefangenen und zur Rückkehr von mindestens 20.000 Menschen aus dem Exil führen.

Ebenfalls zur Diskussion standen Südafrikas Sicherheitsgesetze - der ANC hat eine Abschaffung oder Abänderung von Gesetzen gefordert, die freie politische Betätigung behindern. Dazu gehört vor allem das Gesetz zur internen Sicherheit, das unbegrenzte Verhaftung ohne Gerichtsverfahren zuläßt. Mindestens 150 ANC-Mitglieder befinden sich infolge dieser Bestimmungen hinter Gittern, darunter das Exekutivmitglied „Mac“ Maharaj. Maharaj war vor zwei Wochen als angeblicher Beteiligter an dem „kommunistischen Komplott“ verhaftet worden. Nun ist zu erwarten, daß er bald triumphal das Gefängnis verlassen wird.

Der ANC hat wiederholt gesagt, daß nach der Entfernung von Hindernissen auf dem Weg zu Verhandlungen eine „Suspendierung von Feindseligkeiten“ möglich wäre. Mandela betonte am Vorabend dieser Gepräche erneut, seine Organisation sei zu einem solchen Schritt bereit. Regierungssprecher sagten jedoch, daß ihnen ein allgemeines Bekenntnis des ANC zu friedlichen politischen Methoden lieber wäre. Darunter subsumieren sie auch Schul-, Kauf- und Mietboykotte, die für sie „gewalttätig“ sind. „Wir wollen Deutlichkeit vom ANC“, hieß es. „Der ANC muß sich gegen solche politischen Methoden aussprechen“.

Für den ANC hingegen geben die Polizeibrutalität beim Umgang mit friedlichen Demonstrationen und die Zurückhaltung der Sicherheitskräfte beim Vorgehen gegen weiße Extremisten Anlaß zu weit größerer Sorge. Die Organisation fordert von der Regierung, mit mehr Entschiedenheit ultrarechte Sympathisanten in den Reihen der Polizei unter Kontrolle zu bringen. Solche Kräfte werden auch für die Hysterie über ein „kommunistisches Komplott“ innerhalb des ANC verantwortlich gemacht. Inzwischen ist deutlich, daß Teile der Polizei Tatsachen aus dem Kontext gerissen und verzerrt darstellten.

Mit der Entfernung von Hindernissen auf dem Weg zu Verhandlungen wird sich die Diskussion nach den jüngsten Gesprächen auf die Strukturierung von Verhandlungen über eine Verfassung konzentrieren. Die Regierung hat betont, daß auch andere politische Gruppen miteinbezogen werden sollen. Der ANC hat sich seinerseits bemüht, mit rivalisierenden Gruppen, Kirchen, schwarzen Stadträten und Homelandführern Kontakte zu halten. Er fordert die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung. Nichtrassistische Wahlen für eine solche Versammlung will die Regierung jedoch nicht dulden. Sie sollten Resultat, nicht Anfangspunkt des Prozesses sein.