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„Alle Bühnen erhalten“ - Studie zur Zukunft der Berliner Theater

Eine im DDR-Kulturministerium erarbeitete Studie zur Gesamtberliner Theaterlandschaft kommt zu dem Schluß, daß keine Bühne überflüssig ist und geschlossen werden sollte. Angeregt wird, Staatsoper (Ost-Berlin) und Staatliche Schauspielbühnen einer künftigen Zentralregierung, Deutsche Oper (West-Berlin), Deutsches Theater und Theater der Freundschaft dem Bundesland Berlin zuzuordnen.

Mit der Komischen Oper und dem Friedrichstadtpalast könnten landeseigene GmbHs gebildet werden, andere Häuser sollten zu gemeinnützigen Theatern umgewandelt werden.

Autoren der am Montag vorgestellten Studie zu Gegenwart und Zukunft der Berliner Theater sind die wissenschaftlichen Mitarbeiter Bernhard Kartheus und Rainer Roßner des Referats Theater im Kulturministerium. Nach ihrer Meinung darf eine Entscheidung über die Theaterlandschaft nicht ökonomisch diktiert sein. Berlin könne mit keinem anderen Bundesland verglichen werden, auch nicht bei der Finanzierung.

Für die Zukunft der Theater seien vor allem deren jeweiliges künstlerisches Profil und ästhetisches Konzept, eine öffentliche Hand, die Theaterkunst als unverzichtbaren Bestandteil der Lebensqualität und Attraktivität der Großstadt begreift und fördert, sowie eine theaterinteressierte Großstadtbevölkerung entscheidend.

Gegenwärtig gibt es in Gesamt-Berlin siebenundzwanzig Theaterbetriebe mit einer Kapazität von etwa 22.000 Plätzen, davon 11.500 in West- und 10.500 in Ost-Berlin, sowie rund einhundert sogenannte „etablierte“ freie Gruppen. Die Theaterzentren in Berlin-Mitte und Berlin-Charlottenburg seien in sich leistungsfähig, attraktiv und nahezu autonom, ihre Verflechtung könne also nicht zu Lasten eines Teils erfolgen, sondern müsse mit der Existenzsicherung des Vorhandenen beginnen.

Bei der Untersuchung der zwanzig Schauspielbühnen, sieben davon in Ost-Berlin, kommt die Studie zu dem Schluß, daß Staatliche Schauspielbühnen, Deutsches Theater, Schaubühne, Berliner Ensemble und Ostberliner Volksbühne als die fünf führenden mit ihren Profilen, ästhetischen Konzepten und den Ensemblepotenzen im Wettbewerb nebeneinander existieren können. Schwieriger sei die Lage mittlerer Häuser wie des Renaissancetheaters, des Maxim-Gorki-Theaters und der Westberliner Freien Volksbühne, die möglicherweise über ein anderes, eigenständiges Profil nachdenken müßten. Für denkbar halten die Autoren auch eine in Zukunft steigende Nachfrage nach Boulevardtheatern.

Als Mängel in der Berliner Theaterlandschaft notierten sie „das geringe Angebot“ an Kinder- und Jugendtheatern, ein äußerst sparsames Angebot an Pantomime- bzw. Mime-Theater, kaum ausgeprägte Profile für neue Dramatik, ein politisch -dokumentarisch orientiertes Theater oder ein Revuetheater für Schauspieler. Völlig unterrepräsentiert sei in Berlin auch das Tanztheater.

Bei den drei Opernhäusern sieht die Studie keine Zukunftsprobleme. Nur „geringfügige Konkurrenz“ wird dem Theater des Westens als En-suite-Musicalbühne und dem Metropol als Repertoire-Operettentheater prophezeit. Der Friedrichstadtpalast mit seinen Berührungspunkten zum Theater des Westens werde exklusiv sein müssen, viel hänge davon ab, ob er sich als reines Revuetheater in Zukunft profilieren könne.

Offen und entwicklungsfähig sei die Situation bei den freien Gruppen, von denen es in West-Berlin rund einhundert mit großer Ausstrahlung, in Ost-Berlin bisher lediglich fünf mit professionellem Anspruch gibt.

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