Amerikas Kampfmaschinen erobern die Alte Welt

■ Am Samstag findet in Berlin das erste Football-Spiel amerikanischer Football-Teams auf dem Weg zum Super-Bowl auf deutschem Boden statt / Bei der Offensive des Sports geht's auch um viel Geld

Berlin. Stöckelschuhe haben am kommenden Samstag beim Auftritt der American-Football-Teams nichts zu suchen - bei den Spielern sowieso nicht, denn unter den 90 bis 160 Kilogramm schweren Kolossen würde ohnehin solch zartes Schuhwerk sofort zerbrechen - aber auch für ZuschauerInnen des anstehenden Spektakels gilt eine ungeschriebene Kleiderordnung. Denn während des Spiels, so der Football -Knigge für Zuschauer, habe niemand Zeit, wegen eines verstauchten Knöchels einen Sanitäter zu holen - schließlich könnte der Quarterback just in diesem Moment den Traumpaß werfen oder ein Touch down gelingen.

Die dahinter steckende Begeisterung für American Football ist den meisten Nicht-Amerikanern eher unverständlich. Hierzulande reißt es nur wenige vom Stuhl, wenn die in einer zehn Kilo schweren Ausrüstung verpackten Ungetüme a la Rambo auf dem Spielfeld gegeneinander knallen oder der „vielversprechende“ Quarterback einen First down erzielt, fast niemand hält den Atem an, wenn die Spieler sekundenlang im sogenannten Dreipunktstand (three-point stance) verharren. Wen wundert's daher, daß die Existenz der Westberliner Football-Mannschaft „Berlin Adler“ nur Insidern bekannt ist - noch hat Football wenig an europäischen Boden gewonnen.

Dies soll sich nun ändern: Bereits im letzten Sommer beschlossen die Besitzer der 28 Football-Vereine, zusammengeschlossen in der Profiliga National Football League (NFL), das ellipsoide amerikanische Football-Leder im großen Stil in die Alte Welt zu exportieren. Nach Spielen in Tokio und London drängt eine der professionellsten Sportarten Amerikas nun auch nach Deutschland: 40.000 Karten im Wert von bis zu 60 DM sollen für das samstägliche Spiel zwischen den „Kansas City Chiefs“ und den „Los Angeles Rams“ im Berliner Olympiastadion bereits verkauft worden sein, seit Montag werden die amerikanischen Kampfmaschinen auf dem danebenliegendem Maifeld von ihren Coaches trainiert. Gehören die „Rams“ als einziges Team der NFL einer Frau, Georgia Frontiere, so machte auch Lamar Hunt, Chef der „Chiefs“, schon vor Jahren in spektakulärer Weise auf sich aufmerksam - weniger 1959 als Mitbegründer der American Football League als zusammen mit seinen texanischen Brüdern, die Ende der Siebziger etwa die Hälfte der weltweit vorhandenen Silbervoräte aufgekauft hatten, um so den Marktpreis zu manipulieren. Die Silberspekulation brach 1980 zusammen, das Vermögen der Hunt-Brüder schrumpfte von 6 auf 2,6 Milliarden Dollar und Lamar Hunt entdeckte im Football ein neues lukratives Geschäft: Allein 60 Millionen DM erhalten die beiden in Berlin gastierenden Vereine jährlich für die TV-Rechte in den Vereinigten Staaten. Mit der gigantischen Football-Transaktion gen Europa erschließt sich eine weitere Geldquelle: Bereits 1988 nahm der US-Football -Verband durch internationale Aktivitäten zwei Millionen Dollar ein, mit steigender Tendenz. Überaus lohnenswert auch die Randerscheinungen des „Spiels für Yuppies“, wie es der Londoner 'Daily Telegraph‘ einmal bezeichnete. So kauften die Briten im letzten Jahr US-Football-Artikel im Wert von 50 Millionen Dollar. Der NFL, dessen Emblem jedes Trikot, jeder Ball und jedes Souvenir trägt, verdient dabei kräftig mit. Damit nicht genug: Frischluft witternd, sprang der skandinavische Autohersteller Volvo auf den werbewirksamen Football-Zug auf und als Sponsor des Deutschlandtrips in die Bresche.

Und noch ein weiteres Unternehmen will sich mit der Football-Expansion die Nase vergolden: Die amerikanischen TV -Anstalten haben ihre Budgets für Sportübertragungsrechte mittlerweile ausgereizt, die Werbeeinnahmen lassen sich nicht mehr steigern. Neue Absatzchancen versprechen nun die kapitalkräftigen Märkte jenseits des Ozeans und somit der US -Fernsehgesellschaft NBC, die sich die Übertragungsrechte gesichert hat, endlich wieder steigende Werbekundschaft. Denn Football ist dafür besonders prädistiniert: Während die Spieluhr ständig stoppt und die Spieler auf dem Feld sich neue formieren, vergnügt sich der Fernsehzuschauer auf dem Sofa mit der hausgemachten Form des Football-Flairs: dem Werbespot.

maz