: Sicher und bequem mit der Bahn
Reisen mit der Bahn ist eine feine Sache. Wenn man nicht gerade von einem halben Dutzend mitteilungssüchtiger Mitreisender umgeben ist, hat man die Zeit und die Ruhe, ein Buch zu lesen oder einfach nur aus dem Fenster zu schauen und die Landschaft vorbeiziehen zu sehen. So kommt man sicher und bequem ans Ziel. Bis jetzt! Inzwischen fährt nämlich auch die Angst mit in den europäischen Eisenbahnen. Nachtzüge, insbesondere von und nach Italien und Frankreich, werden immer häufiger von Räuberbanden heimgesucht. Während die schlafenden Reisenden meist nur ihre Wertsachen einbüßen, fürchten die Schaffner um ihr Leben. So wurde der belgische Schlafwagen
schaffner Luc Waeyaert auf grausame Weise ein Opfer seines Metiers. Der 34jährige wurde auf der Fahrt durch den Gotthard-Tunnel gefesselt und geknebelt und mit einer Plastiktüte über dem Kopf liegengelassen. Der Mann erstickte. Die Täter erbeuteten lediglich drei Uhren und 250 Franken Bargeld von den Fahrgästen. „Das Vorgehen der vermutlich organisierten Banden wird immer brutaler“, berichten Zugbegleiter der Deutschen Service Gesellschaft der Bahn (DSG) und der Compagnie Internationale des Wagons -lits et du Tourisme (CIWLT), die für die Betreuung der Gäste zuständig sind. Mit Mafia-Methoden versuchen die Gangster, Schaffner in Schach zu halten und einzuschüchtern. „Die sagen: Wenn ihr bei der Polizei aussagt, finden wir euch und eure Familie.“ Nach Ansicht der Schaff
ner handelt es sich um Banden, die sich auf Bahnüberfälle spezialisiert haben. Waren es früher vor allem Italiener, sind es heute fast durchweg „ältere und kräftige Jugoslawen“, so die Schaffner. Die Gefahr der Reisenden hält sich in Grenzen. Die Passa
giere bemerken den Diebstahl oft erst am nächsten Tag. Die Schaffner, die meist alleine einen Waggon betreuen, fühlen sich den Räubern schutzlos ausgeliefert. Für sie gibt es in den meisten Zügen weder abschließbare Abteile noch Notrufsysteme. Die Banden suchen sich mit Vorliebe besonders laute Teilstrecken aus, wie zum Beispiel den Gotthard -Tunnel. Das Donnern des Zuges übertönt jeden Hilfeschrei. Die Schaffner haben auf jeden Fall die Schnauze voll. Sie haben einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, um sich selbst und die Fahrgäste besser zu schützen. Sollte die Eisenbahdirektion das Problem weiterhin ignorieren, wollen sie streiken.
Wenn ich's mir recht überlege, konnte ich Zugfahren eigentlich noch nie ausstehen. Ist doch ziemlich langweilig und schlechten Kaffee schenken sie auch aus.
Karl Wegmann
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