Südafrika auf der Suche nach dem Runden Tisch

■ Der ANC hat den Weg zu Verhandlungen über ein Post-Apartheid-System geebnet - doch schon regt sich auch Opposition gegen die Übereinkunft

Man kann dieses Treffen in Pretoria einen Wendepunkt nennen. Die Regierung tut es, und der ANC wird es restrospektiv tun. Worum da letztlich hinter verschlossenen Türen gerungen wurde, wird erst in den nächsten Tagen an die Öffentlichkeit dringen. Der vielzitierte Optimismus jedenfalls, der die vorgestrige Rencontre umspannte, ist nur auf dem Hintergrund der Komplotthysterie und Kommunistenhatz der letzten Wochen zu verstehen. Angesichts der hochgeputschten Atmosphäre gab sich die Regierung gelassen - sie pflegt alle Vorwürfe zu „Überprüfen“ - ein Wort, das auf Regierungsseite die letzte Zeit häufig Verwendung findet. Es schindet Zeit und suggeriert Ernsthaftigkeit. So wurde etwa eine Kommission damit beauftragt, Klagen über die von Polizei und Militär jahrelang gegen Anti-Apartheidaktivisten eingesetzten Killerkommandos zu „überprüfen“. Die Ergebnisse verwirrten mehr als sie klärten und verstaubten schließlich in Aktenschränken.

Von Mandela auf die Gewalt in der Krisenprovinz Natal angesprochen, meinte de Klerk, eine Aufhebung des dortigen Ausnahmezustands werde man „überprüfen“. Ähnlich lehnte er die sofortige Revision des Internal Security Act - ab, der es erlaubt, Menschen ohne Prozeß unbegrenzt festzuhalten. Auch dies werde man „weiterhin überprüfen“ und vielleicht in der nächsten Parlamentsperiode im Februar angehen.

Und die Polizei? De Klerk auf der Pressekonferenz: „Die Polizei geht mit allen Problemen in angemessener Weise um. Und wenn Beweise für das Gegenteil vorliegen, wird man solche Klagen ernsthaft überprüfen.“ Vergeblich protestiert Mandela: „Landesweit, besonders in Natal, sind staatliche Organe in die Gewalt verwickelt. In mehreren Fällen haben wir entsprechende Beweise vorgelegt, und nichts wurde unternommen.“ Eines steht fest: Beim jetzigen Treffen machte der ANC die meisten Konzessionen, während die Regierung kaum mehr als Versprechungen über zukünftige Konzessionen bot. Auf die Einstellung des bewaffneten Kampfes durch den ANC antwortete de Klerk: „Ich habe mich dem Prozeß des Gebens und Nehmens nie auf materialistische Art genähert. Wir handeln nicht über den Preis eines Hauses. Wir beschäftigen uns schließlich mit der Zukunft eines Landes.“

Mit der Suspendierung des bewaffneten Kampfes zog Nelson Mandela die vorletzte Trumpfkarte in diesem ungleichen Spiel. Er setzt auf Tempo, Moral und Macht, kann damit aber nicht die Gewalt in der Gesellschaft steuern oder gar verhindern. Zwar konstituierten sich in den letzten Wochen die politischen Opponenten im schwarzen Lager zu Parteien, um dem ANC politisch Konkurrenz zu machen. Doch daß die „multiethnische“ konservative Zulu-Partei Inkatha mit weniger brutalen Mitteln als bisher den Kampf um die Macht führen wird, ist unwahrscheinlich. Eine weitere Oppositionsgruppe, Azapo (Azanian Peoples Organisation) appellierte zumindest gestern an alle Schwarzenbewegungen Südafrikas, ein gemeinsames Programm für kommende Verhandlungen über eine neue Verfassung auszuarbeiten und nicht alles dem ANC zu überlassen. Die kleinere und radikalere Konkurrenzbewegung des ANC, der Pan Africanist Congress (PAC), hat längst zu erkennen gegeben, daß er den Guerillakrieg weiterhin als einzige Möglichkeit betrachtet, die Vorherrschaft der Weißen zu beenden. Und auch die rechten Buren dürften jetzt erst recht mit Bomben und Granaten gegen den „Ausverkauf der weißen Interessen“ agieren. Die Minen jedenfalls sind gelegt.

Andrea Seibel