piwik no script img

Der letzte Kommunistenfresser

 ■ „Jagd auf Roter Oktober“ - Der Drang zu den Waffen

Von Karl Wegmann

Ronald Reagan war von seinem Kalte-Kriegs-Märchen so begeistert, daß er ihn zum Tee ins Weiße Haus einlud. Auf Flugzeugträgern und U-Booten, in Panzern und Düsenjägern, bei Schießübungen und simulierten Geiselbefreiungen des FBI ist der amerikanische Bestsellerautor Tom Clancy inzwischen Ehrengast.

1947 in Baltimore geboren, wuchs Tom Clancy als Sohn eines Briefträgers auf und genoß eine strenge katholische Erziehung. Schon sehr früh spürte er den Drang zu Waffen aller Art. Sein Berufswunsch: Panzerkommandant oder U-Boot -Kapitän. Doch auf dem College mußte er seinen Traum begraben: Wegen starker Kurzsichtigkeit konnte er nicht einmal den Schnellkurs für Reserveoffiziere absolvieren. Nach seinem Englischstudium heiratete er und wurde Versicherungsmakler.

Die Idee zu dem Technothriller Jagd auf Roter Oktober kam dem Militärfetischisten und strammen Rechtsaußen, als er 1976 einen Artikel über die Besatzung einer sowjetischen Fregatte las, die nach Schweden desertieren wollte. Um sich mit der Welt der Navy vertraut zu machen, studierte er gängige Marinehandbücher wie Combat Fleets of the World und Guide to the Soviet Navy. Sein wichtigstes Hilfsmittel war jedoch das 15 Dollar teure Videospiel Harpoon, ein Seeschlachten-Simulator. Sein Buch erschien schließlich im Oktober 1984 in dem auf Marinefachbücher spezialisierten Verlag „Naval Institute Press“ mit einer Auflage von 15.000 Exemplaren. Clancy erhielt ein Honorar von 5.000 Dollar. Inzwischen wurde der Roman in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt. Die Verkaufszahlen nähern sich der Sechs-Millionen-Grenze und der Autor ist längst Multimillionär.

Die Geschichte ist einfach gestrickt. Es gibt nur Schwarz und Weiß. Die Guten, die Vereinigten Staaten mit ihrer CIA und Navy, kämpfen gegen die Bösen, die Sowjetunion. Die Bösen haben eine neue Superwaffe, ein Atom-U-Boot mit einem fast geräuschlosen Antriebssystem. Kapitän Ramius, der Kommandant des Schiffs, möchte auch ein Guter werden. Er beschließt die „Roter Oktober“ in die USA zu bringen. Die Bösen schicken ihm fast die gesamte Rote Flotte hinterher. Es macht die Guten natürlich ziemlich nervös, als sie diese gewaltige Streitmacht auf ihre Küste zu schippern sehen. Doch der brillante CIA-Analytiker Jack Ryan bekommt die Sache in den Griff. Er klaut das U-Boot und schwindelt den blöden Russen vor, es sei versenkt worden. Eine richtig schöne Kommunistenfresser-Geschichte also, die Mr. Clancy da in seinem Betonkopf ausgebrütet hat.

Nun ist es nicht allzu schwierig eine spannende U-Boot -Geschichte zu schreiben. Ein U-Boot an sich ist schon aufregend, kein halbwegs normal denkender Mensch würde freiwillig in so ein Ding, mit Atomreaktor und zwei Dutzend Raketen mit nuklearen Mehrfachsprengköpfen, einsteigen, und sich dann auch noch ein paar hundert Meter tief versenken lassen.

Was Jagd auf Roter Oktober darüber hinaus so packend macht, ist die realistische Darstellung der Technik. So ging denn auch vielen Beamten des Pentagon der High-Tech-Thriller mit seiner genauen Beschreibung von Ortungs- und Radargeräten, sowie der plastischen Schilderung der Identifizierung von U-Boot-Antriebssystemen gegen den Strich. Daß der Autor obendrein wichtige strategische Aspekte der Bekämpfung feindlicher U-Boote preisgab, empfanden sie als besonders verwerflich. Es kam zu zwanzig offiziellen Anfragen im Kongreß. Die einen wollten den Autor wegen Geheimnisverrat vor Gericht stellen, die anderen sahen in ihm schon den neuen Verteidigungsminister. „In ein oder zwei Jahren“, spekulierte Tom Clancy, „arbeite ich vielleicht im Pentagon - es gibt Leute, die glauben, daß ich dort hingehöre.“ So weit ist es noch nicht, aber die Navy hat inzwischen schon mal einige ihrer Schiffe nach Zerstörern und U-Booten, die in Clancys Roman besonders erfolgreich waren, benannt, und an vielen US -Militärakademien wird sein Untersee-Schinken als Lehrmaterial benutzt.

Hollywood, sonst alles andere als zimperlich wenn es darum geht den Commies mal wieder richtig eins vor den Latz zu ballern, hatte Schwierigkeiten mit dem Roman. Da hatten sie nun eine tolle Action-Story aber sie war leider etwas antiquiert. Zum Leidwesen der Drehbuchautoren ging der Kalte Krieg zu Ende, Entspannung war angesagt und böse Russen im Film wären eine schlechte Werbung. Also entschärften sie das ganze Ding. Gleich im Vorspann wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich um eine Geschichte aus der Vor -Gorbatschow-Ära handelt. Tom Clancys ideologische Haßtiraden und sein patriotisches Potenzgeschrei wurden ganz gestrichen, einzig der Ausdruck für ein Wendemanöver, „Irrer Iwan“, blieb drin. Aus dem Russen-Hasser Ramius (gespielt von Sean Connery) machten sie einen melancholischen Friedens -Apostel und die sehr realistische Schilderung vom Durchschmelzen eines Atomreaktors in einem getauchten russischen U-Boot fiel ebenfalls der Zensur zum Opfer. Übrig geblieben sind bunte Bilder. Die Produzenten und Regisseur John McTiernan (Stirb langsam) opferten die Spannung auf dem Altar der Perestroika.

Selten war ein U-Boot-Film so langweilig, selbst die visuellen Effekte, für die George Lucas „Industrial Light & Magic“ verantwortlich zeichnet, haben einen langen Bart Star Wars unter Wasser. Bei einer Sache allerdings hielten sich die Filmer an die Vorlage. Frauen spielen nur ganz am Rande winzige Nebenrollen. Gefühlsduselei und Mondscheinromantik sind Tom Clancy zuwider. Liebesszenen oder gar Sex gibt es in Jagd auf Roter Oktober nicht. High-Tech-Waffen sind schließlich Männer-Spielzeug, und was braucht Mann einen Schwanz wenn er ein U-Boot hat.

John McTiernan: Jagd auf Roter Oktober, mit Sean Connery, Alec Baldwin, Scott Glenn; USA 1989/90, 137 Minuten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen