: Saudis unter US-Schutz
■ Die USA haben Truppen ins bedrohte Saudi-Arabien entsandt und werben für die Aufstellung multinationaler Einheiten im saudischen Königreich. Der irakische Präsident Saddam Hussein verkündete indes die Annexion Kuwaits. Das Schicksal der aus dem Emirat verschleppten Ausländer ist noch ungewiß
Krise am Golf spitzt sich zu
Nach dem Beschluß von US-Präsident George Bush, Truppen nach Saudi-Arabien zu entsenden, droht sich die Krise am Golf zu einem internationalen Konflikt auszuweiten. In Washington hieß es, der saudische König Fahd habe die Einwilligung zur Stationierung von US-Streitkräfte bereits am Montag während seiner Gespräche mit Verteidigungsminister Richard Cheney gegeben. Die 'Washington Post‘ berichtete unterdessen unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise, irakische Streitkräfte hätten ihre Flugzeuge mit chemischen Waffen ausgerüstet.
Bush wandte sich am Mittwoch nachmittag mit einer Rede zur Lage am Golf an das amerikanische Volk. „Wir müssen der Aggression widerstehen, oder wir zerstören den Frieden“, meinte Bush und fügte mit dem Hinweis auf die Gebietsansprüche Hitlers von 1939 hinzu: „Beschwichtigung wird nicht funktionieren.“ Die Entsendung amerikanischer Truppen nach Saudi-Arabien bezeichnete er als „notwendige Aktion“, die er mit der Bedrohung begründete, die die „100.000 irakischen Soldaten mit ihren Panzern und Raketen“ für alle Nachbarn darstellen. Bush, der den defensiven Charakter seiner Maßnahmen betonte, nannte vier Ziele: 1. den totalen Abzug der Irakis aus Kuwait, 2. die Wiederherstellung der legitimen Regierung, 3. Sicherheit und Stabilität in der Region zu erhalten und 4. Schutz des Lebens amerikanischer Bürger.
Unterdessen vermeldete das irakische Fernsehen, Präsident Saddam Hussein habe am Mittwoch abend eine „wichtige Mitteilung“ zu machen. Beobachter gehen davon aus, daß er die offizielle Annexion Kuwaits bekanntgeben wird.
Bush hatte am Dienstag abend in einer Krisensitzung mit seinem Sicherheitsberater Scowcroft und Stabschef Sununu über die Lage am Golf beraten. Außenminister Baker wird nach seinem Türkei-Blitzbesuch am Freitag in Brüssel mit seinen Amtskollegen der europäischen Nato-Ländern zusammentreffen. Dabei wird es voraussichtlich um die Koordinierung von Sanktionen gegen den Irak und möglicherweise auch um eine Beteiligung an der in Saudi-Arabien aufzustellenden Truppe gehen.
Die Entscheidung der USA zur Aufstellung und Entsendung einer „multinationalen Einheit“, die zum größten Teil aus US -Truppen bestehen soll, hat international gemischte Reaktionen hervorgerufen. In Bonn sagte ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, es bestünden keine Pläne, deutsche Soldaten an den Golf zu entsenden. Die japanische Regierung erklärte, sie werde sich nicht an einer solchen Aktion beteiligen. Frankreich zieht „im jetzigen Stadium“ eine Teilnahme an der multinationalen Truppe ebenfalls nicht in Erwägung. Die Türkei will zunächst eine UNO-Entscheidung abwarten. China, erklärte Ministerpräsident Li Peng, sei gegen den Einsatz fremder Truppen im Mittleren Osten. Doch werde man jeglichen Waffenhandel mit Bagdad aussetzen.
Das britische Kabinett traf am Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammen und beschloß, sich an der multinationalen Einheit zu beteiligen. Nach neuesten Meldungen schließt nun auch die UdSSR eine „sowjetische militärische Teilnahme auf kollektiver Basis“ nicht mehr grundsätzlich aus. In Kairo wird noch geprüft, ob sich äyptische Soldaten an der multinationalen Einheit beteiligen sollten. Bei einer formellen Bitte der saudische Regierung sei man zu einem Einsatz bereit. Doch, so war in Kairo zu hören, man hoffe auf eine friedliche Regelung.
In Israel wurde die Entsendung von US-Truppen an den Golf „mit Befriedigung“ aufgenommen. Die israelische Regierung will sich jedoch mit einer Stellungnahme vorerst zurückhalten. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) besteht nach den Worten des politischen Beraters von PLO-Chef Jassir Arafad, Bassam Abu Scharif, weiterhin auf einer politischen Lösung des Golf-Konflikts.
Der Sprecher des Weißen Hauses, Marlin Fitzwater, sagte, Bush habe den Einsatz amerikanischer Truppen aus dem Glauben heraus beschlossen, daß die in der Nähe der saudi-arabischen Grenze stationierten irakischen Truppen eine „unmittelbare Bedrohung“ für das Königreich bedeuteten. In Verteidigungskreisen hieß es, US-Heereseinheiten würden nach Saudi-Arabien entsandt. Die ersten Truppen wurde dort am Mittwoch erwartet.
Am Eingang des Persischen Golfs kreuzte bereits die Trägergruppe des Flugzeugträgers „Independence“. Das Schlachtschiff „Wisconsin“ sollte am Mittwoch den Hafen von Norfolk in Virginia verlassen und zu dieser Gruppe stoßen. Bereits am Dienstag hatten der Flugzeugträger „Saratoga“ und fünf weitere Kriegsschiffe den Marinestützpunkt Mayport in Florida verlassen. Die UdSSR entsandte einen im Indischen Ozean kreuzenden U-Bootjäger und einen Zerstörer in die Straße von Hormus, dem Eingang des Golfs.
Auf diplomatischem Weg gingen unterdessen die Bemühungen weiter, die Ausreise der in Irak und Kuwait befindlichen Ausländer zu ermöglichen. Ein Sprecher in Bonn teilte mit, im Hotel Babylon in Bagdad befänden sich zur Zeit acht Deutsche. Sie seien aus Kuwait dorthin gebracht worden und stünden in Kontakt mit der deutschen Botschaft. In Amman traf am Mittwoch ein irakisches Verkehrsflugzeug mit einer Gruppe Ausländer an Bord, überwiegend Amerikaner, ein. Am Dienstag waren bereits 78 Menschen, vor allem Japaner, nach Amman gebracht worden. Das US-Außenministerium forderte amerikanische Bürger am Dienstag abend auf, Reisen in das Krisengebiet am Persisch-Arabischen Golf zu vermeiden.
Walter Saller
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