Wider den Tunnel in der Wesermarsch

■ Weserfähre bei Dedesdorf soll durch 1,6 Kilometer langen Tunnel ersetzt werden

Wer die Weser auf ihren letzten Kilometern zwischen Bremen und Bremerhaven trockenen Fußes überqueren will, muß Fähre fahren. Dies ist schon seit Jahrhunderten so, soll sich nach Verkehrsplanungen aber ändern: Ein 1,6 Kilometer langer Tunnel, für ca. 500 Millionen Mark autobahnmäßig ausgebaut, soll her und zwar dahin, wo bisher noch die Autofähre zwischen Dedesdorf und Kleinensil hin-und herfährt und am Tag zwischen zwei-und dreitausend Kraftfahrzeuge hin-und herbefördert.

Gestern lud der „Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Bremen“ (BUND) zur Pressekonferenz,

um gegen das Tunnelprojekt zu protestieren. Inge Götz, von der BUND-Kreisgrupe Wesermarsch verwies auf Abgase und steigende Ozonwerte und meldete fundamentale Kritik an: „Es ist kein Platz mehr für noch mehr Asphalt. Deutschland ist zugepflastert.“

In der Wesermarsch selbst sei die Mehrheit der Bevölkerung derzeit noch für den Tunnel. Zwei Argumente zögen: Ein Tunnel beschleunige die Weser-Querung und ein Tunnel sei im Gegensatz zur Fähre unabhängig von Weser-Vereisung und von Sturmfluten zu benutzen. Doch die breite Zustimmung der Wesermarsch-BewohnerInnen sei dann nicht mehr

gegeben, wenn durchsickere, daß der Tunnel nicht für lokale Zwecke gebaut werden'sondern „großräumigen“ Zielen dienen solle. Und da der Tunnel ursprünglich Teil von Plänen für eine „Küstenautobahn“ gewesen sei und da zudem aktuelle Pläne bestünden, England mittels mehrerer Großtunnel autobahngerecht mit Skandinavien zu verbinden, glaube sie nicht an einen lokalen Wesertunnel. Inge Götz prognostizierte: „Sobald klar wird, daß eine großräumige Planung dahintersteht, steht die Bevölkerung Kopf.“

BUND-Biologe Martin Rode erläuterte, warum der BUND die Wesermarschen vor dem Tunnel

bewahren will: Dort lebten noch „zum Teil einmalige Bestände“: Uferschnepfen, Weißstörche, Rotschenkel. Es gebe noch Auwaldreste und noch Weserinseln, Sandstrände und Sanddühnen.

Aktuell hatte der BUND gestern folgende Mängel am behördlichen Planungsverfahren zu rügen: Erstens sei die „Umweltverträglichkeitsprüfung“ ohne Bürgerbeteiligung vorgestellt worden, zweitens seien bei dieser Prüfung die großräumigen Auswirkungen des Tunnels außer Acht gelassen worden. Drittens sei das „Raumordnungsverfahren“ auf der Basis falscher Verkehrszahlen durchgeführt worden und viertens mit dem Ergeb

nis, daß die gefundene Trasse Feuchtwiesen zerschneide. Ergo: „Die Naturschutzverbände stellen fest, daß das im April abgeschlossene Raumordnungsverfahren rechtlich nicht haltbar ist.“

Inge Götz (BUND) forderte gestern, „mit den Planungen neu anzufangen“. Sie hofft auf die neue rot-grüne niedersächsische Landesregierung, in deren Koalitionsvereinbarungen steht:„Der Tunnel soll als regionale Verbindung gebaut werden, den Bau einer Küstenautobahn lehnen wir ab.“ Inge Götz favorisiert jedoch noch etwas anderes: „Gutausgebaute Fähren zum Nulltarif.“

Barbara Debus