: Kein Leitungswasser für Asylbewerber
■ Skandalöse Unterbringung von Asylsuchenden in der „Hockenberger Mühle“ / Ohne Wasser, mit Essensresten und in drangvoller Enge / Die Stadt Wiesbaden will nun Abhilfe schaffen
Von Michael Blum
Wiesbaden (taz) - Rund um die hessische Landeshauptstadt ist die „Hockenberger Mühle“ ein Synonym für Biergartenatmosphäre im Grünen: Am Ortsausgang des Vororts Kloppenheim liegt das Ausflugslokal idylisch inmitten von Wald und Wiesen. Früher gehörte neben der bei sommerlichen Temperaturen überfüllten Gaststätte auch ein Hotel zu dem Anwesen. Doch das rentierte sich nicht mehr. Seit einiger Zeit herrscht in dem seperaten Gebäude aber wieder drangvolle Enge: In dem Hotel hat der Besitzer 44 Asylanten untergebracht - nach deren Berichten unter skandallösen Umständen.
Die Hockenberger Mühle wurde bis Anfang August noch von der Hessischen Gemeinschaftsunterkunft für ausländische Flüchtlinge (HGU) Schwalbach betreut, seit letzter Woche ist sie in Obhut der Stadt Wiesbaden. Der umstrittene Heimleiter und Gastwirt blieb und kassiert weiter 38 D-Mark pro untergebrachten Asylanten - pro Tag.
Zahlreiche Beschwerden der Flüchtlinge haben daran nichts geändert: Geschlagen und eingeschüchtert habe er sie und in der derzeitigen Sommerhitze das aus einem eigenen Brunnen geförderte Wasser abgedreht. Zu trinken hätte es, so Heidi Lankisch, Stadtverordnete im Wiesbadener Rathaus, allenfalls eine Flasche Mineralwasser gegeben. Zu essen hätte der Heimleiter „Essensreste aus der im Nebengebäude betriebenen Gaststätte“ gereicht. Inzwischen wies Heimleiter Scheuch die Vorwürfe als falsch und „aus der Luft gegriffen“ zurück.
Als die sozialpolitische Sprecherin der grünen Rathausfraktion die Mißstände öffentlich machte, wurden die Pakistani und Nepalesen kurzerhand am 1.August - seinerzeit stand die Unterkunft noch in Obhut der HGU abtransportiert. Die Initiative sei vom Heimleiter ausgegangen, der auch die Abschiebung eines von ihm geschlagenen Flüchtlings nach einem Zwischenaufenthalt in Schwalbach nach Zwirndorf veranlaßt habe (Lankisch). Am Abend zuvor war den Asylanten gesagt worden, sie sollten ihre „Koffer packen“. Über ganz Hessen wurden die Flüchtlinge verteilt. Einige Asylanten wurden in Gießen untergebracht, obwohl sie familiäre Bindungen in Wiesbaden haben.
In die Hockenberger Mühle wurden noch am gleichen Tag neue Flüchtlinge - diesmal aus Limburg - gebracht. Auch sie hätten den ganzen Tag ohne Nahrungsmittel verbringen müssen. „Nicht einmal das Leitungswasser war ihnen zugänglich, weil es wie immer abgestellt war“, berichtet Heidi Lankisch. Auf zehn Quadratmetern seien vier Menschen zusammengepfercht worden. Frauen und Kinder mußten auf den Zimmern bleiben.
Dietrich Schwarz, Leiter des Amtes für Jugend, Soziales und Wohnen, steckt in der Zwickmühle: 862 Flüchtlinge sind der Stadt Wiesbaden vom Land Hessen in diesem Jahr zugewiesen worden, von denen 500 noch aufgenommen werden müssen. „Wir sind auf jedes Bett angewiesen, können deshalb auch nicht auf die Hockenberger Mühle verzichten.“ Zudem gebe es zu der Unterkunft, um deren Betreuung sich die Stadt jahrelang bei der HGU bemühte, widersprüchliche Angaben: Das Gesundheitsamt habe keine Mängel festgestellt, es gebe also keine ausreichenden Gründe, die Unterkunft zu schließen. Gleichwohl sei das ehemalige Hotel mit mehr als fünfzig Flüchtlingen überbelegt. Die drangvolle Enge führe zu „Konflikten auf beiden Seiten“. Derzeit seien noch rund vierzig Flüchtlinge dort untergebracht. Um die Lage zu entspannen, werde die Stadt die Belegungsdichte jedoch auf rund dreißig Personen reduzieren.
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