piwik no script img

Rundgeschaute Frechheiten

■ Für Taube: Radio-Bremen-Regionalchef gibt vorsorglich auch schriftlich, wo's langgeht

Wer oder was ist am frechsten im großen ganzen deutschen Norden? Bollerkopp Claus Grobecker? Das ist falsch. Der Postbeamte Gert Postel, der als Dr. Dr. Clemens Bartholdy monatelang und unerkannt psychiatrische Amtsgutachten ausfertigte? Schon wieder falsch. Am „frechsten im Norden“ ist - die „Rundschau“ auf der Hansawelle von Radio Bremen.

Glauben Sie nicht? Dann lesen Sie mal! Für alle, die's beim Hören der runderneuerten und wellenverlegten „Rundschau“ immer noch nicht kapiert haben, hat Rundschau-Chef Niels von Haken jetzt schriftlich zusammengestellt, was sie an der neuen Rundschau haben. Und da steht: „Radio Bremen Regional - das Frechste am Norden“.

„Frech sein“ - das geht, wenn's nach von Haken geht, nämlich so. Rundschau-Reporter sind zwar gelegentlich per Du - das ist pressekonferenz-empirisch erwiesen - mit Bremens Polit-Prominenz. Aber Rundschau-Reporter sind deswegen, das ist von-Haken-papierisch erwiesen, trotzdem „niemandes Kumpel“. Stattdessen „kennen sie die Region, Land und Leute“ und sind „Bezugspersonen für die Hörer“. Und deshalb wiederum fällt ihnen natürlich gleich auf, wenn irgendein Bürger-Initiativ-Sprecher sein kleinkariertes Privat -Anliegen bloß mal wieder „auf den Sockel der Betroffenheit gehoben hat“, und denken dabei: „Die Rundschau ist kein Schönheitssalon für Interessenvertreter-styling. Im Rundschau-Studio wird hart gefragt und deutlich gekontert.“ Kurz: „Mit fröhliecher Frechheit“ will die Rundschau „sagen, was ist.“

Standesgemäß und gehaltsangemessn hat der Regional-Chef jetzt anscheinend sogar rausgekriegt, wie das geht, und seine bahnbrechende Erkenntnis gleich zu Papier gebracht: „Die Realität beschreiben kann nur gelingen, wenn jeder die Sprache versteht.“ Messerscharfe Schlußfolgerung: „Deshalb ist die Sprache der Rundschau das Umgangsdeutsch.“ Und noch eine tiefe Grundsatzerkenntnis, auf die nach mehreren Rundschau-Jahrzehnten jetzt endlich einer gekommen ist: „Wir Journalisten bestimmen die Sprache, weil es unser Handwerk ist, mit Sprache und mit Spreche zu arbeiten.“

Seit ein paar Wochen werden auf den Gängen von Radio Bremen Menschen gesichtet, die plötzlich - von scheinbar unerklärlichen Lachkrämpfen geschüttelt - ihre Hände prustend vor dem Mund zusammenschlagen. Eingeweihte wissen: Die haben gerade Rundschau gehört. Zum Beispiel solche Sätze: „Das Niedersächsische Wirtschaftsministerium will die Herkunft sämtlicher seit 1984 aus England exportierter Rinder rückverfolgen.“ Hart, frech und vor allem umgangssprachlich, wie die Rundschau eben ist.

Rosi Roland

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen