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Ost-Satisfaction mit 500.000 Watt

■ Rolling-Stones-Konzert: Erst zwei Drittel der Karten verkauft / Jagger im Grand Hotel, Lothar de Maiziere auf der VIP-Tribüne

Weißensee. Die Show der fünf Stones ist knallhart durchorganisiert. Die Journalisten, die gestern zur Pressekonferenz auf der Radrennbahn in Weißensee eine Minute zu spät kamen, wurden nicht mehr hereingelassen. Der taz-Reporter kletterte zehn Meter neben dem Haupteingang über den Zaun, andere unpünktliche Kollegen warteten wohlerzogen eine halbe Stunde in der Mittagshitze. Dann erbarmte sich die Münchener Konzertagentur Mama Concert und öffnete die Maschendraht-Pforte erneut.

Drei Stunden, bevor die Rockgrößen auf dem Schönefelder Flughafen aus ihrem Privatjet kletterten, gab es einen letzten Blick auf die Bühne: schwarze Stahlrohre, orangefarbene Wellblechwände, metallene Wendeltreppen. Zwei sogenannte shoots erinnern an das überdimensionale Ende von Betonmischmaschinen. Doch Stones-Promotor Steve Howard dementiert: Wenn Mick Jagger heute unter den silbrigen Industriegedärmen Satisfaction in sein Mikro schleudert, wird der 47jährige nicht mit Zement überschüttet werden. Statt dessen gibt es ein Rauchen und Leuchten. Titel des verrußten Gesamtkunstwerkes, das in Europa zwar Premiere feiert, aber in Bitterfeld kein Aufsehen erregen würde: Steel Wheel.

Angesichts der Assoziation an „verkommenen Industrielook“ (Howard) überrascht das zurückhaltende Kaufverhalten im Wirtschaftskrisengebiet zwischen Elbe und Oder nicht. Von den 100.000 Eintrittskarten haben DDR-Fans kaum mehr als ein Viertel erworben. Fürs morgige Konzert sind gerüchteweise noch mehrere 10.000 Karten (39 DM) übrig.

Wie man den industriellen Zusammenbruch vermarkten kann, interessiert immerhin DDR-Anführer Lothar de Maiziere (CDU). Er hatte in einem Brief die millionenschwere Band nach Ost -Berlin eingeladen und wird links der Steel-Wheel-Stage seinen VIP-Platz einnehmen.

500.000 Watt werden auf Politiker und Publikum einhämmern. Die Stromschlacht nähert sich dem Höhepunkt (2.000.000 Watt), wenn Jagger mit einem Lift dem Himmel über Berlin entgegenschwebt und in 35 Meter Höhe seine Sympathie for the Devil gestehen wird. Nach dem Ende werden die fünf Stars in das Grand Hotel in der Friedrichstraße fahren. Zusammen mit einem ganzen Heer von 300 Butlern und Body -Guards sollen sie sich dort eingemietet haben.

Mit Bus und Bahn

zu Beggars Banquet

Weit um die Radrennbahn stehen keine Parkplätze zur Verfügung, teilt die Verkehrspolizei mit. Von S-Bahn Prenzlauer Berg fährt der 56er Bus, von U-Bahn Pankow der 55er Bus zum Konzert. Autofahrer sollten heute und morgen abend die Rennbahnstraße über Prenzlauer Promenade, Ostseestraße und Klement-Gottwald-Allee umfahren.

Dirk Wildt

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