piwik no script img

Atom-Tourismus in Niedersachsen

■ Umweltministerium in Hannover legt Liste über radioaktive Transporte vor

Von Dirk Seifert

Hannover (taz) - In einer ersten, noch unvollständigen Auflistung hat das niedersächsische rot-grüne Umweltministerium auf Anfrage der taz erstmals einen Überblick über die Zahl und Art der Atomtransporte in Niedersachsen gegeben. Umweltministerin Monika Griefahn hatte unmittelbar nach der Landtagswahl erklärt, über diese zum Teil hochgefährlichen atomaren Frachten umfangreich informieren zu wollen und sowohl die Transportstrecken als auch die Transporttermine vorab bekanntzugegeben.Unvollständig ist die Liste deshalb, weil Atomtransporte auf der Schiene nicht enthalten sind. Die Bundesbahn unterliegt bei Schienentransporten nicht der Aufsicht des niedersächsischen Umweltministeriums und muß dieses nicht über Transporte z.B. mit bestrahlten Brennelementen unterrichten. Nicht als Aufsichtsbehörde, aber im Rahmen des Katastrophenschutzes wird das niedersächsische Innenministerium von Atomtransporten auf der Schiene unterrichtet, bestätigte Pressesprecherin Barbara Mussack der taz. In den nächsten Wochen sollen die Informationswege mit dem Innenministerium geklärt sein, damit künftig die Benachrichtigung des Umweltministeriums rechtzeitig erfolgt. In jedem Fall sollen auch die Transporte mit bestrahlten Brennelementen, die im Herbst zunächst aus den AKWs Stade und Krümmel durch Niedersachsen gehen werden, vorher bekanntgegeben werden.

Nach den Angaben des Umweltministeriums sind vom 1. Januar bis zum 15. Juli insgesamt 204 der nach Atomgesetz anmeldepflichtigen Atomtransporte durch Niedersachsen gerollt. Der größte Teil steht mit der Brennelementefabrik der Advanced Nuclear Fuels (ANF) in Lingen in Zusammenhang. In 47 Fällen wird Lingen als Absender, in 60 Fällen als Empfänger der Brennstoffe angeführt. Mit frischen Brennelementen beliefert die ANF die AKWs in Biblis, Unterweser und Gundremmingen sowie AKWs in Schweden und Frankreich. Außerdem kommt und geht Uranhexafluorid (UF6) und Urandioxid (UO2) von und nach Lingen. In 5 Fällen lieferte die ANF das UO2, ebenso wie UF6 ein Zwischenprodukt bei der Brennelementefertigung, nach Hanau. Aus der Auflistung nicht zu ersehen, aber wahrscheinlich ist, daß der dortige Empfänger das Siemens-Brennelemente-Werk ist. In umgekehrter Richtung wurden insgesamt 13 Transporte mit UO2 von Hanau nach Lingen geschafft. Bemerkenswert an der Auflistung sind auch 7 Transporte mit frischen Brennstäben vom AKW Unterweser zum AKW Philippsburg. Sinn dieses Zwischenhandels könnte sein, daß das AKW Unterweser in Philippsburg ein Lager für Brennelemente angemietet hat.

Die Hanauer Atombetriebe sind mit insgesamt 61 Transporten als Empfänger oder Absender am radioaktiven Tourismus durch Niedersachsen beteiligt. Frische Brennelemente gehen von Hanau zu den AKWs in Grohnde und Emsland (Lingen).

Insgesamt 36 weitere Atomtransporte - überwiegend mit frischen Brennelementen - standen nach Angaben des niedersächsischen Umweltministeriums im Zusammenhang mit dem Reaktor Karlstein. Im Bereich der radioaktiven Abfälle, deren Transport nicht immer genehmigungs- und meldepflichtig sind, wurden in Niedersachsen elf Transporte registriert, darunter ein Transport mit Betriebsabfällen aus dem AKW Philippsburg ins TBL Gorleben (Transport-Behälter-Lager).

Obwohl mit der Auflistung des Umweltministeriums ein wenig mehr Licht in das Dunkel der Atomtransporte kommt, bestehen noch viele Mängel und Defizite. So werden bisher das Datum des Transports, die benutzten Verkehrsmittel, die Empfänger und Absenderfirmen und die Genehmigungsnummern nicht aufgelistet. Daten, die der sozialliberale Senat in Hamburg seit etwa eineinhalb Jahren auf Anfrage veröffentlicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen