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Haft für Vergewaltigung

■ Landgericht verurteilt 23jährigen wegen Vergewaltigung einer Ostberliner Taxifahrerin zu dreieinhalb Jahren Gefängnis / Durch „Zählkarte“ gefaßt

West-Berlin. Der Prozeß um die Vergewaltigung einer Taxifahrerin aus Ost-Berlin, die schwarzfuhr, endete gestern vor dem Berliner Landgericht mit einer Verurteilung zu dreieinhalb Jahren Haft für einen 23jährigen Schlosserlehrling. Der Angeklagte hatte die Tat bestritten. Seinen Angaben nach habe ihn die Frau in der Nacht zum 3. Januar in ihrem Trabant aus Ost-Berlin in den Westteil der Stadt gefahren. Nahe seiner Wohnung sei es zum freiwilligen Geschlechtsverkehr gekommen.

Das Gericht folgte demgegenüber den belastenden Aussagen der Verkäuferin, die insgesamt kein Motiv habe, den Mann zu Unrecht derart zu belasten. Sie sei nach Öffnung der Mauer als Taxifahrerin lediglich einem populären Nebengeschäft nachgegangen.

Der Täter war im Januar nach nur kurzer Fahnung gefaßt worden, weil sich die Westberliner Polizei mit den DDR -Grenzbehörden in Verbindung gesetzt hatte und über die Eintragung in den damals noch üblichen Zählkarten den Namen des Verurteilten ermitteln konnte.

Einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gegen Valuta steht laut Urteil eine Reihe von Ungereimtheiten gegenüber. Die Andeutung, die junge Frau könne sich als Prostituierte betätigt haben, sah das Gericht schon deswegen als widerlegt an, weil im Zeitalter von Aids ein Geschlechtsverkehr ohne Kondom weitgehend unüblich sei. Auch in Ost-Berlin lebe man nicht hinter dem Mond. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert, zumal die Schuld des Angeklagten nicht zweifelsfrei geklärt worden sei. Möglicherweise, so eine der Hypothesen seitens der Verteidigung, sei der Zeugin plötzlich bewußt geworden, daß sie sich auf etwas eingelassen habe, was ihr völlig zuwider sei.

Die Staatsanwältin hatte auf fünf Jahre Haft plädiert und dem Angeklagten ein brutales Verhalten vorgeworfen. Das Gericht sprach demgegenüber von einem unterdurchschnittlichen Maß an Gewalt, was allerdings darauf zurückzuführen sei, daß die Frau sich „vernünftig verhalten habe“. Sie habe keinen Widerstand geleistet.

dpa

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