: Die Giftgas-Kicker
■ In Clausen spielen die Roadies vom Giftgas-Konvoi um den schwermetallenen „Lindwurm-Cup“
PRESS-SCHLAG
Der erste Blick geht zum Kalender. Nein, heute ist Samstag, 11.August, Bundesligastart. Urlaub und Ferien sind auch nicht mehr. Kein Aprilscherz, den der regionale Pressemonopolist, die 'Rheinpfalz‘, da verkündet: „Kampf um Lindwurm-Cup“ beim FK Clausen. Erinnerungen werden wach, nostalgisch-gruselige Horrorszenarien durchbrechen die Schwelle zum Bewußtsein. Nicht nur wegen der Giftgasfässer, davon wußten wir in den sechziger und Anfang der siebziger Jahre noch nichts, und wenn, dann wähnten wir sie in Fischbach.
Nein, Clausen war schon immer ein besonders heißes Pflaster. Und wenn wir mit dem VB oder dem TSC Zweibrücken dort am Hanauer Ring aufkreuzten, gab es regelmäßig eins auf die Nuß. Erst für die Grünen bzw. Roten, hinterher für allzu forsche Fans. Regenschirme wurden gezückt, Steine flogen gen Omnibusse, das Betreten der Ortskneipen war sowieso Tabu, wollte man Blutergüsse vermeiden.
Nach wenigen erfolgreichen Oberliga-Jahren ist der FK Clausen heute Verbandsligist. Und zur Einstimmung auf die gerade begonnene Saison schrecken die Gelb-Schwarzen unter Trainer Werner Melzer (Ex-FCK-Profi) nicht an der Beteiligung am Giftgas-„Lindwurm-Cup“ zurück.
Veranstalter ist die Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz, eine besonders feinfühlige Behörde in Neustadt, die die Giftgas-Sheriffs aus allen Teilen der Republik bei Laune halten will. Und die sportinteressierten Clauser sollen eingelullt werden von doppelpaßspielenden Grenzschützern, amerikanischen US-Army-Goalies, grünberockten Liberos von der Polizei und panzer-kraftstrotzenden Grauen.
Pokale für die ehrenvollen Sieger - zwölf Teams treten an überreicht der Innenminister. Ist ja auch geil, den Cup zu ergattern, beim Tanz um das goldene Giftgasfaß. Für den zweiten gibt es eine silberne Granate, entschärft für den heimischen Neckermann-Schrank. Als Trostpreis bekommen die restlichen Lindwurmgeschädigten ein paar Nebelwerfer, zum Weiterreichen an die lieben Kleinen, zum Spiel am Straßenrand. Damit die Konvoi-Roadies endlich etwas zu tun und fiktive Saboteure etwas auf den Hut bekommen.
Günter Rohrbacher-List
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