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IRA-Prozeß stiftet Zwist in der Justiz

■ Der Bundesgerichtshof zwang das Düsseldorfer OLG zur Eröffnung der Hauptverhandlung im Sinne der Bundesanwaltschaft / OLG sah keinen Beweis für die Teilnahme am Duisburger IRA-Anschlag

Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) - Im hochgesicherten Gerichtsbunker auf dem Gelände einer Düsseldorfer Polizeikaserne steigt heute eine Justizpremiere. Vor dem 6. Senat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts (OLG) stehen mit Terence Gerard McGeough (31) und Gerard Thomas Hanratty (31) erstmals zwei „mutmaßliche Mitglieder“ der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) vor einem deutschen Gericht. Schon vor der Prozeßeröffnung hat die Anklage der Bundesanwaltschaft (BAW) für Unfrieden in den höheren Justizetagen gesorgt.

Die Karlsruher Ankläger werfen McGeough die Beteiligung an einem IRA-Bombenanschlag auf eine Offiziersmesse des Nato -Hauptquartiers im März 1987 vor und gehen davon aus, daß beide Angeklagte bei einem weiteren IRA-Bombenanschlag im Juli 1988 auf die Mannschaftsunterkunft der britischen Rheinarmee in Duisburg mitgewirkt haben. Ein Polizist, der die Duisburger Täter wegen überhöhter Geschwindigkeit ihres Fluchtfahrzeuges eher zufällig verfolgt hatte, war aus dem Fluchtauto heraus mit einer Kalaschnikow AK 47 beschossen worden. Am 30. August 1988 fielen die beiden Iren bei dem Versuch auf, die deutsch-niederländische Grenze auf einem Feldweg zu überqueren. Es kam zur Festnahme.

Im Fond ihres Autos fand sich unter anderem das in Duisburg benutzte Sturmgewehr. Dieser Fund galt der Bundesanwaltschaft als der zentrale Beweis für die Beteiligung der beiden Angeklagten am Duisburger Anschlag. Eine Schlußfolgerung, der sich das Düsseldorfer OLG nicht anschließen mochte. Es sei nicht auszuschließen, daß andere IRA-Mitglieder sich der Waffe bedient hätten. Konsequenterweise lehnte das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens zu diesem Anklagepunkt ab, „denn bei vorläufiger Tatbewertung ist eine spätere Verurteilung der Angeschuldigten wegen dieser Vorwürfe nicht wahrscheinlich“.

Kaum drei Wochen später, am 8.Mai 1990, wurde der Düsseldorfer Beschluß nach Beschwerde der Bundesanwaltschaft vom 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) kassiert. Die BGH-Richter ließen die Anklage im vollen Umfang wieder zu und hielten den Düsseldorfer Richtern vor, sich „rechtlich nicht erschöpfend“ mit der Anklage befaßt zu haben, weil die Prüfung einer „Beteiligung der Angeklagten in Form der Beihilfe oder zumindestens der Begünstigung“ nicht erfolgt sei. Solche obergerichtlichen Belehrungen bringt die Belehrten regelmäßig in Rage, da sie sich in der Regel viel umfassender mit der gesamten Argumentationskette der Anklage beschäftigen, als ein Beschwerdesenat es überhaupt kann. Eine Hoffnung für die Verteidigung, denn es ist kaum anzunehmen, daß der 6. Senat des OLG in der Hauptverhandlung nun großen Ehrgeiz entwickeln wird, sich selbst zu widerlegen.

Zwar wird in der Anklageschrift die IRA immer wieder als „terroristische“ Gruppierung und Urheberin „der meisten terroristischen Anschläge“ im Nordirland-Konflikt bezeichnet, doch die Anklage gründet sich nicht auf §129a. Das hat für die Angeklagten den Wegfall vieler Haftsonderbedingungen zur Folge. Verteidigergespräche finden ohne Trennscheibe statt. Der Brief- und Besuchsverkehr unterliegt lediglich den üblichen Beschränkungen.

Beide Angeklagten haben sich bisher weder zur Sache noch zur Person geäußert. Über die Vergangenheit von Terence McGeough ist wegen eines Asylverfahrens in Schweden dennoch einiges bekannt. Im Rahmen dieses Verfahrens, das im Jahr 1987 ohne Anerkennung abgeschlossen wurde, hat der Angeklagte seine Mitgliedschaft in der IRA und die Beteiligung an zahlreichen Kommandoeinsätzen in Irland eingeräumt. Die Asylpapiere wurden im Januar 1989 an die belgischen, holländischen, britischen und bundesdeutschen Behörden weitergeleitet, obwohl das nach dem schwedischen Datenschutzgesetz verboten ist.

Hanratty werde, so heißt es in der Anklageschrift, „von den Polizeibehörden in Nordirland“ der IRA zugerechnet. Die britische Regierung hat die Bundesregierung um Auslieferung ersucht. Hanratty, der froh ist, nicht in den Fängen der Briten zu sein, hofft, daß es dazu nie kommen wird.

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