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Sowjetunion wird in der Golf-Krise aktiv

■ Die sowjetische Regierung lehnt eine Seeblockade ab / Gemeinsame Aktionen im UNO-Rahmen vorgeschlagen / Emissär in Nahost unterwegs / Zahlen zum Waffenexport nach Irak veröffentlicht

Moskau(taz) - Seit die USA letzte Woche damit begonnen haben, die von der UNO über den Irak verhängten Handelssanktionen notfalls mittels einer Blockade durchzusetzen, ist die sowjetische Regierung auf Distanz gegangen. Das Außenministerium zeigte sich „beunruhigt“, daß von der militärischen Konfrontation im Golf möglicherweise Gefahr für den Weltfrieden ausginge. Im gleichen Zuge schlug die sowjetische Regierung vor, „die UNO-Mechanismen voll zu nutzen“, und erklärte sich bereit, „unmittelbar mit Konsultationen im Rahmen des militärischen Stabskomitees beim Sicherheitsrat zu beginnen“.

Ein 'Tass'-Kommentar vom Dienstag erläuterte dann die mögliche Bedeutung des Komitees für koordinierte Schritte der UNO in der Region. Es wäre befugt, den Sicherheitsrat bei der Zusammenstellung militärischer Kontingente zu beraten und könnte auch den Befehl über sie ausüben. Ursprünglich war dem Stabskomitee von den Gründerstaaten der UNO große Bedeutung beigemessen worden; man wollte aus der Machtlosigkeit des Völkerbundes Konsequenzen ziehen. Aber der Ausbruch des Kalten Krieges verdammte es zur Bedeutungslosigkeit. Mit der Wiederbelebung dieser „toten Struktur“ soll Gorbatschows Gedanken Nachdruck verliehen werden, die Weltorganisation zu einem wirksamen Instrument internationaler Streitschlichtung auszubauen - als Beispiel „neuen, globalen Denkens“.

Die sowjetische Diplomatie beläßt es aber nicht beim Projekteschmieden. Michail Sytenko, ehemals einer der Stellvertreter des UNO-Generalsekretärs, ist zu einer Erkundungsreise aufgebrochen, die ihn zuerst nach Syrien, Jordanien und Ägypten, dann nach dem Irak führen soll. Gegenstand der Reise sei, so ein Sprecher des Außenministeriums, „die Eskalation der Spannungen in der Region zu bremsen“. Trotz intensiver Konsultationen sei der Irak bislang nicht bereit gewesen, von seinen Positionen abzurücken. Wie schwer sich auch die Sowjetunion mit Saddam Hussein tut, zeigt der schleppende Verlauf der Evakuierungsverhandlungen für die Kinder und Frauen der im Irak tätigen Sowjetbürger. Sie müssen auf dem Landweg mit gecharterten Fahrzeugen den Heimweg antreten. Bei den festgehaltenen Männern vermeidet es das sowjetische Außenministerium bislang, von Geiseln zu sprechen.

Zur peinlichen Frage der Aufrüstung des Irak durch die Sowjetuion und zu den jetzt dort noch anwesenden Militärs nahm am Mittwoch in der 'Iswestija‘ Wladimir Nikitjuk vom Generalstab Stellung. Zwar habe es seit 1972 Waffenhilfe gegeben, nie aber „Beratung“ beim Aufbau der Streitkräfte oder bei konkreten militärischen Aktionen. Die 193 jetzt noch im Irak tätigen Militärspezialisten würden „Hilfestellung geben bei der Ausbildung an dem gelieferten Kriegsgerät“. Dieses Kriegsgerät, immerhin 51 Prozent aller dem Irak seit 1980 gelieferten Waffen, umfaßt nach Auskunft des sowjetischen Generals Boden-Boden-Raketen, Panzer, Kampfflugzeuge und moderne Luftabwehrsysteme. Nikitjuks Interview ist eine Antwort auf die in der sowjetischen Öffentlichkeit jetzt laut werdende Forderung, die „freundschaftlichen Beziehungen“ zum Irak zu überprüfen.

Christian Semler

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