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Horror im Drogenparadies

■ Heroin No. 4 - Einer Droge auf der Spur, Do 20.15 Uhr, ARD

Vor dem „Musikantenstadl mit Interpreten aus den Alpenregionen“ gibt es auf dem Ersten eine Horrorshow aus den fernen Heroinregionen Thailands. Der Dokumentarfilm von Georg M. Hafner und Kamil Taylan bietet viele verschiedene Facetten, böse kleine Geschichten und Szenen eines Landes, das von der Droge lebt. Gleich zu Beginn treten aufgeregte Polizisten Türen ein, durchsuchen Wohnungen, schnüffeln in kleinen weißen Tütchen herum und legen dem Händler oder Benutzer die Handschellen an. Mit nervöser Handkamera hautnah gefilmt, für den Festgenommenen ist es der Anfang vom Ende. Im Zentralgefängnis von Bangkok, Klong Prem, sitzen sie alle, die kleinen Dealer, die dummen Touristen, die auf schnelles Geld aus waren, die trägen Konsumenten. Ein Deutscher wird interviewt, leider sind Fragen und Antworten zensiert. Zunächst wurde er zu einhundert Jahren verurteilt, die schließlich auf 25 Jahre reduziert wurden. Fast gefühllos sitzt er da, redet in abstrakten Begriffen, jedes sinnliche Wort, jedes Detail wäre nicht erträglich. Die Besucher stehen vor Affenkäfigen, die Häftlinge strecken die Hände aus, sind drei Meter von ihren Leuten getrennt. Dann die Verhaftung eines kleinen Thailänders, ein schmales Jüngelchen, das von einem Lockvogel hereingelegt wurde. Er schreit: „Das gehört mir nicht!“, wird verprügelt, sitzt schließlich auf dem Boden, mit den Angstaugen eines Tieres. Im Quartier der Lockvögel bei der Drogenfahndung, die gekauften Junkies (zwei D-Mark pro Tag und ihre Ration ist der Lohn) sorgen für 58.000 Verhaftungen im Jahr. Die windigen Gestalten der Verräter, das linkische Grinsen derer, sie sich verkauft haben.

Und dann Bilder aus dem Slum von Bangkok; zwischen Bahngleisen und Autobahnbrücken leben etwa 200.000 Junkies, viele sind es seit Kindesbeinen, die meisten sind öfter im Gefängnis als draußen. Der thailändische Staat geht mit beispielloser Härte gegen den Drogenkonsum vor, die Bilder belegen das nachdrücklich. „Sinnentleerte Abschreckungsstrategie im Drogenschlaraffenland“, nennen es die Autoren, und finden doch kaum Bilder, wie es anders zu denken wäre. In einem buddhistischen Kloster wird eine barbarische Zehn-Tage-Therapie angeboten. Die Junkies trinken einen Sud aus 100 Kräutern und warten dann auf das große Erbrechen. Und speien, holla! meterhoch ihren Mageninhalt in die Luft. Ein deutscher Mönch mit den friedlichen und doch nervösen Augen eines Ex-Junkies hat es hier geschafft und ist dageblieben. Die Bilder bleiben dicht, vielleicht auch, weil sie weniger etwas beweisen möchten als überhaupt erstmal etwas zu zeigen. Im „Goldenen Dreieck“ genießen Schlafmohn-Touristen die Gänsehaut beim Anblick eines Mohnfeldes. Eine ältere Frau, seit 25 Jahren dabei, zieht sich genüßlich eine Opium-Pfeife ein. In Pattaya, der deutschen Touristenhochburg, ziehen die deutschen Männer durch die Straßen, mit Söckchen und Sandalen, Handgelenktäschchen und Frau an der Hand. Jeder zweite Einwohner lebt hier von der Prostitution. Und dann das genüßliche Entsagen eines Slumbewohners, der sich gerade eine Spritze gesetzt hat, reglos, offen blinde Augen, herrlich abwesend. Viele solcher Bilder machen einen guten Film. O'Groschen

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