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Strahlende Ostsee Leningrader Lager leckt

■ Erhöhte Einsatzbereitschaft in Finnland

Helsinki (taz) - Einsatzbereitschaft wegen Strahlungsgefahr hat die finnische Strahlenschutzbehörde am Freitag angeordnet. Grund hierfür sind jüngste sowjetische Presseberichte, wonach aus einem großen Atommülllager bei Leningrad verstrahltes Grund- und Oberflächenwasser schon lange in die Ostsee fließt.

Die finnische Strahlenschutzbehörde ragierte speziell auf einen Bericht der 'Komsomolskaja Prawda‘, wonach das Atommüllager Sosnovoborskoje am Stadtrand von Leningrad nichts weiter als eine schlecht gesicherte Hausmüllkippe ist, aus der es wie aus einem Sieb in das Grundwasser und in den finnischen Meerbusen leckt. Der Umgang mit radioaktiv verstrahltem Müll ist nach dem Urteil der Zeitung von „Unwissenheit, Schlamperei und reiner Dummheit“ geprägt. Strahlenmüll sei oft einfach irgendwo vergraben oder ungesichert in Wäldern, Steinbrüchen oder anderen Plätzen mitten in der Natur abgelagert worden.

Eine noch unvollständige Bestandsaufnahme der örtlichen Behörden in Leningrad soll im Stadtgebiet über 1.500 Plätze ergeben haben, an denen die Strahlung das zulässige Maß übersteigt. Eine von der Stadtverwaltung erstellte Karte über alle verstrahlten Gegenden werde aus Angst vor Panikreaktionen in der Bevölkerung als geheime Verschlußsache behandelt. Die Behörden fürchten, daß Hunderttausende Kubikmeter Erde weit über das gesundheitsgefährdende Maß hinaus verstrahlt seien. Antti Vuorinen, Chef der finnischen Strahlenschutzbehörde, versucht zwar, der erhöhten Bereitschaft seiner Behörden die Dramatik zu nehmen, bezeichnet die Presseangabe aber als „mehr als merkwürdig, ja schon erschreckend“. Man habe die sowjetischen Kollegen um eine Einschätzung gebeten, berichtet Vourinen und hält nicht mit Kritik hinter dem Berg: Die geschilderten radioaktiven Leckagen könnten durchaus unter das zwischenstaatliche Abkommen über atomare Unfälle fallen, wonach die Sowjetbehörden zu sofortiger Information verpflichtet seien.

Reinhard Wolff

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