: Für die Frauen ab dreißig
■ Neue WDR-Familienserie „Solange es gut geht“, 15.03 Uhr, ARD
Wo immer es kriselte, scheiterte, unterging in den letzten Jahrzehnten, ob in Ehe, Schule oder Abendland - schuld war das Fernsehen. Bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten schienen sich die Verantwortlichen lange Zeit dessen bewußt zu sein. Man beschränkte sich folglich darauf, während der Abendstunden sein frevelhaftes Tun und Wirken zu verbreiten. Vielleicht hielt man auch die Zahl derer, die sich bereits früher vor die Flimmerkiste bannen lassen würden, für zu unerheblich, um den Start der Bestrahlung vorzuverlegen. Aus heutiger Sicht wirkt eine solche Zurückhaltung selbstredend geradezu prähistorisch.
Die privaten Sender haben vorexerziert, daß sich im Grunde zu jeder Tageszeit ein Publikum finden läßt, das vor keiner Grauslichkeit, die der Bildschirm zu bieten hat, zurückschreckt. Dennoch sind bei ARD und ZDF von den alten asketischen Prinzipien gewisse Schamhaftigkeiten übriggeblieben. Hie und da wird ein Bemühen ersichtlich, selbst des Nachmittags ein Niveau zu simulieren, das sich irgendwie, wenn auch minimal, freundlich abhebt von den seichten Unsäglichkeiten der privaten Konkurrenz. Hie und da, wie gesagt.
Als einen Vorstoß in diese Richtung mag jedenfalls der wohlwollende Betrachter die neue Serie Solange es gut geht werten; eine Eigenproduktion des WDR, die von heute an zweimal wöchentlich, nämlich montags und mittwochs jeweils um 15.03 Uhr, zu sehen sein wird. Allerdings verheißt schon der Titel zu viel. Ungeachtet dessen, ob es nun solange gut geht oder nicht, sind dreizehn Folgen beschlossene Sache.
Im Mittelpunkt der Episoden stehen Vater und Tochter Bertram. Tochter Gaby (Ute Willing) hat sich von ihrem Freund getrennt; Vater Robert (Gert Haucke) offeriert ihr daraufhin jovial eine Bleibe in seiner Wohnung, will sagen, solange es gut geht. Das Gesetz der Serie erfordert natürlich schnell den ersten Ärger. Konflikte in schlechterdings tragischen Dimensionen zeichnen sich ab. Die Generationen wüten. So zum Beispiel, wenn Vater Bertram es wagt, der Tochter das Frühstück ans Bett (sic!) zu bringen, nicht ahnend, daß sie kaum etwas mehr haßt (sic!) als gerade das. Schlimm, schlimm! Oder wenn er sich weigert, sie zu seinem wöchentlichen Tischtennisabend mitzunehmen. Zum Haareraufen, Zähneklappern, Steinerweichen! Zweifellos Stoff für Hartgesottene. Kein Zufall, daß Hauptdarsteller Haucke im Interview erklärt, er habe „überhaupt keine Schwierigkeiten“, sich mit einer Rolle zu identifiezieren, „weder mit 'nem Kinderschänder“ noch „mit einem Kapitalverbrecher“. Der Mann kann einen das Fürchten lehren.
Dennoch verspricht die Serie ein Erfolg zu werden. Erstens ist sie nicht schlechter als das Gros der Alternativangebote zu dieser Tageszeit, vielleicht sogar einen Hauch besser. Vielleicht, irgendwie. Differenzieren mag da auch müßig sein. Und zweitens besteht anscheinend ausreichend Nachfrage. Man wüßte, so eine Sprecherin des WDR, daß vor allem Frauen jenseits der dreißig so etwas gern sähen. Vermutlich wird sie recht behalten. Warum auch immer.
Marcel Hartges
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