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Aids-Beratung für türkische BerlinerInnen

■ „Aids Danisma Merkezi“ in Kreuzberg bietet Hilfe und Unterstützung für türkische HIV-Positive und Aidskranke an

West-Berlin. A.D.M. steht in großen Buchstaben an der Bürotür in der Skalitzer Straße: „Aids Danisma Merkezi“, was zu deutsch Aids-Beratungsstelle heißt. Das Modellprojekt, getragen von der Berliner Gesellschaft türkischer Mediziner und finanziert vom Bund und dem Berliner Senat, soll zumindest versuchen, in der Aids-Bekämpfung eine klaffende Lücke zu schließen: die Beratung und Aufklärung für nichtdeutsche BerlinerInnen.

Die vier MitarbeiterInnen, eine deutsche Ärztin und eine Psychologin sowie zwei türkische Kollegen, Sozialarbeiter der eine und Pädagoge der andere, richten sich an die rund 130.000 türkischen BürgerInnen in Berlin, die etwa sechs Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Die sind nach Meinung des Leiters der Arbeitsgruppe Aids beim Senat, Dr. Klemens Messing, von den bisherigen Aufklärungskampagnen nicht erreicht worden. Zum einen gebe es Sprachprobleme, aber auch gesellschaftliche Strukturen innerhalb der türkischen ImmigrantInnen, die oft streng patriarchalisch ausgerichtet und stark auf die Familie orientiert sind. Sexualität allgemein und Homosexualität im besonderen sind tabuisiert. „Es herrscht die Meinung, wer Aids hat, ist auch zwangsläufig homosexuell oder drogenabhängig“, sagt Sabine Vierkant, Psychologin bei „Aids Danisma Merkezi“. Weil Aids auch durch Geschlechtsverkehr übertragen wird, bringt die Krankheit Schande für die ganze Familie. Der oder die Betroffene müßte eigentlich verstoßen werden, um die Familie gesellschaftlich nicht zu isolieren. Andererseits gehört es zu den Aufgaben der Familie, gerade dem schwächsten Mitglied beizustehen. Folglich wird die Krankheit oft verheimlicht. Hier wird die Beratung und Hilfe durch A.D.M. dringend. „Wir müssen helfen, den seelischen Druck zu mindern“, sagt Sabine Vierkant. „Dazu gehört, den Familienmitgliedern unnötige Ängste zu nehmen, aber auch, sie auf mögliche Ansteckungswege hinzuweisen.“

Wer Angst hat, sich infiziert zu haben, und einen Aids-Test in Erwägung zieht, kann sich bei A.D.M. beraten lassen - im persönlichen Gespräch oder anonym am Telefon. Durch mangelnde Sprachkenntnisse und die Stigmatisierung als „Ausländer“ werden die Probleme mit Behörden, die Suche nach einer den Bedürfnissen entsprechenden Wohnung zusätzlich erschwert. Mit A.D.M. steht den Betroffenen zumindest eine Anlaufstelle zur Verfügung. Weiterer Schwerpunkt der Arbeit von A.D.M. ist Aids-Aufklärung und Vorbeugung an den Berliner Schulen. Dreizehn Prozent aller Berliner SchülerInnen sind türkische Staatsangehörige. Durch Informationsveranstaltungen in Schulen und Freizeitheimen wird oft erst einmal Sexualaufklärung geleistet - wenn möglich in kleinen Gruppen und nach Geschlechtern getrennt.

Vor allem bei den Jungen ist bei der Benutzung von Kondomen Überzeugungsarbeit nötig. „In derBeschreibung des türkischen Mannes gehören die Begriffe Stolz, Stärke und Sexualität untrennbar zusammen“, sagt Muzaffer Turak, Sozialarbeiter bei A.D.M. Der Seitensprung des Mannes in der Ehe gilt als Kavaliersdelikt. Vorehelicher Geschlechtsverkehr wird bei türkischen Männern geduldet, Bordellbesuche sind keine Seltenheit. Viele vertreten die Auffassung: Ich bin stark, mir kann so ein kleiner Virus nichts anhaben. Andere halten es für eine Fügung Allahs, gegen die man nichts machen kann.

Mädchen und Frauen wiederum wissen oft sehr wenig über ihren eigenen Körper. Sexualität ist für sie nur in der Ehe legitim - „und dann nur nach den Wünschen des Mannes“, sagt Sabine Vierkant. Nur sehr zögernd wird das kostenlose Angebot der A.D.M. angenommen. Rat- und Hilfesuchende werden meist über andere Beratungsstellen vermittelt. Vor den vier BeraterInnen liegt noch ein mühsames Stück Vertrauens- und Überzeugungsarbeit.

Ute Walter

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