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Amnestie-Appell

■ ...an das künftige Parlament anläßlich der deutschen Vereinigung

DOKUMENTATION

Wir appellieren an das neu gewählte, gesamtdeutsche Parlament, am Tage der Vereinigung der beiden deutschen Staaten eine allgemeine Amnestie für Gefangene mit Langzeitstrafen, auch für Gefangene, die wegen politsch motivierter Straftaten inhaftiert sind, zu verkünden.

Die Amnestie soll für alle, zu lebenslangen Freiheitsstrafen Verurteilten gelten, die länger als zehn Jahre im Gefängnis sind. Bei den anderen Gefangenen soll die Zeitstrafe um ein Drittel verkürzt werden. Die Amnestie soll alle, auch die ausländischen Gefangenen in beiden ehemaligen deutschen Teilstaaten betreffen.

Wir rufen die Mitglieder beider deutscher Parlamente dazu auf, die gesetzlichen Grundlagen für eine solche Amnestie vorzubereiten, damit das neu gewählte, gesamtdeutsche Parlament sie in Kraft setzen kann.

Gründe: Eine Amnestie für Gefangene bei besonderen nationalen Ereignissen ist in der Geschichte der Staaten ein verbreiteter Brauch. Die bevorstehende Vereinigung ist ein solches Ereignis. Mit ihr bekommt Deutschland einen Zuwachs an staatlicher und wirtschaftlicher Größe und Macht. Dies weckt aber auch bei unseren europäischen Nachbarn und den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes die Frage, wie es um die demokratische, friedliche und humane Größe eines vereinigten Deutschlands steht. Mit dieser Amnestie könnten wir Deutschen zeigen, daß wir auch nach innen friedensfähig sind und die menschliche Größe haben, den Gefangenen die Hand zur Versöhnung zu reichen. Besonders gegenüber denen, die ehemals aus politischen Motiven Straftaten begangen haben, wäre eine solche Amnestie ein Akt der Souveränität. Dies würde bedeuten, daß der neue Staat so frei ist, seine ehemaligen Feinde nicht länger gewaltsam isolieren zu müssen, sondern sie mit einer Geste des Entgegenkommens für eine neue gewaltlose Lebensperspektive in Freiheit zu gewinnen. Damit würde zugleich ein Zeichen gegenüber denen gesetzt, die meinen, aus Solidarität mit den Gefangenen den Staat und seine Repräsentanten immer noch mit Gewalt bekämpfen zu müssen.

Die Amnestie wäre ein sichtbarer Beweis, daß ein deutscher Staat, der seine äußere Souveränität zurückbekommen hat, auch an innerer Souveränität gewonnen hätte.

ESG-Uni München; AK „Eisberg“, der Evang. Studentengemeinden in München; George, Elke; Löhr, Hans; Albertz, Heinrich; Bäumler, Prof. Dr. Chr.; Buro, Dr. Andreas; Grass, Günther; Hahnzog, Dr. Klaus; Hentig, Prof. Hartmut von; Hermlin, Stefan; Käsemann, Prof. Dr. Ernst; Komitee für Grundrecht u. Demokratie; Koch, Dr. Marianne; Narr, Prof. Dr. Wolf-Dieter; Richter, Prof. Dr. Horst-Eberh.; Rosenkranz, Gerd; Rosh, Lea; Sölle, Prof. Dr. Dorothee; Sontheimer, Prof. Dr. Kurt; Steffensky, Prof. Dr. Fulbert; Sternsdorff, H.-Wolfgang; Vack, Hanne und Klaus; Weber, Prof. Hartmut

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