: Gesprächsbereite Bilder
■ „Malerei und Grafik zur Bedrohung und Abschiebung“ im Kulturladen Gröpelingen
Die Schicksale: Fremde in fremder Kultur. Angst. Isolation. Gegenseitiges Klammern.
Die Ausstellung: „Malerei und Grafik zur Bedrohung und Abschiebung“ im Kulturladen Gröpelingen. Hauptsächlich großformatige Tafelbilder von Gustav Tilmann bestimmen das Ambiente im „Kulturladen“: Aquarelle, Grafiken, eine Collage. Ein Triptychon weckt Aufmerksamkeit: Blickkontakt mit einer kurdischen Familie. Das Gemälde will eine Geschichte erzählen, scheint es. Keine romantische Geschichte, sondern eine in düsteren Farben. Eine wahre Geschichte. Fallbeispiel nennt das die Diktatur der Bürokratie.
Konkrete Hintergründe stehen hier im Vordergrund, nicht die schönen Künste. Die Kunst ist bloß Medium aktueller Sozialkri
tik. So sind dann auch die Malereien zum schnelleren Verständnis figürlich, will heißen: Menschen sind zu sehen. Ausländer, Flüchtlinge, Asylanten.
Zur authentischen Geschichte der kurdischen Familie: Ein Vater, eine Mutter, neun Kinder. Eines davon ist gerade schwanger, erzählt „Kulturladen„-Mitarbeiter Andreas Heinrichs in seiner Einführung. Die soziale Not ist groß, größer, am größten. 1985 stellte jene elfköpfige Familie in Niedersachsen Antrag auf Asyl. Daraufhin: Unterbringung in einer feuchten, baufälligen Wohnung. Duldung. Neofaschistische Bedrohungen. Einzelfall?
Drei Jahre später: Die Situation spitzt sich zu; die Familie steht kurz vor der Abschiebung. Auch der Versuch, sich in Bremen-Gröpelingen „niederzulas
sen“, entpuppt sich nicht als geeignete Lösung. Anders ist das Leben hier auch nicht: Wie in Niedersachsen wird die Familie mit der Ausländerfeindlichkeit konfrontiert; auch hier holt die Gründlichkeit der Behörden sie ein, die planen, die Familie zurück nach Niedersachsen abzuschieben. Und von dort in die Türkei: Existenzangst, Existenzkampf.
So weit, so schlecht. Doch was hat das mit einer Kunstausstellung zu tun? Der Kunstlehrer Gustav Tilmann („exotische Leute regen mich an; ich brauche die Auseinandersetzung mit Ausländern“) sucht nicht den Kommerz, sondern die Konfrontation. „Bedrohung und Abschiebung“ sind Schwerpunkte seiner Arbeit. Und deshalb sind seine Bilder so offen, so „gesprächsbereit“ - der Be
trachter wird dem Ausländer alltag gegenübergestellt. Auf diese Weise verarbeitet Tilmann bestimmte Eindrücke und Überlegungen aus der direkten Umgebung Gröpelingens: Motivation aus dem Gemeinschaftsleben eines Bundesbürgers mit Einwanderern. Begründet ist die Hoffnung, daß sich nicht nur das Kunstpublikum mit der Problematik auseinandersetzt. In diesem Sinne auch Heinrichs mit seinem Appell, daß „gerade wir Deutsche dem Schicksal von Menschen, die in dieses Land geflohen sind, auch immer mit einem Stück eigener Betroffenheit begegnen und entsprechend handeln“.
Nachdenklichkeit zog sich über die Gäste der Ausstellung. Die kurdische Familie? Ausgang ungewiß. Marcus Völke
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