: Mißmutig steht die Opposition hinter Mubarak
■ Zwar wird der ägyptische Präsident in seiner Position gegen Irak unterstützt, dennoch habe er eine innerarabische Lösung verhindert / Mit der Rückkehr Hunderttausender Ägypter aus Irak steigen die innerökonomischen Probleme
Aus Kairo Petra Groll
„Natürlich hoffen wir, daß Mubarak wenigstens einen angemessenen Preis für die Rolle Ägyptens gefordert hat“, meint Philip Galab, Chefredakteur der Wochenzeitung 'Al Ehali‘ bezüglich der Haltung der nationalen Vereinigungspartei „Tagamma“ zur Krise am Golf.
Tagamma ist weniger Partei als Dachorganisation diverser Gruppen des gemäßigten linken bis liberalen Spektrums und gilt als bedeutendste Kraft der ägyptischen Opposition. Doch die war schon vor der Golfkrise schwach. Und angesichts der irakischen Politik scheiden sich die Geister erneut. „Innenpolitisch ist nach wie vor die ökonomische Krise das Hauptthema“, bleibt Galab denn auch dankbar auf dem Nebengleis. „Und wir trauen Mubarak offen gesagt nicht einmal so viel Standvermögen zu, daß er zum Beispiel von den Saudis einen ordentlichen Betrag verlangt oder von Washington erhebliche Einflußnahme auf den IWF, um Ägypten aus der Schuldenzange zu befreien.“ Ein ganz ähnliches Ansinnen mag auch hinter einem Gerücht gesteckt haben, das am Wochenende die Runde machte und besagte, Saudi-Arabien habe, aus der Portokasse sozusagen, die ägyptische Auslandsverschuldung von satten vierzig Milliarden Dollar getilgt.
Im großen und ganzen hat sich die ägyptische Opposition letztlich hinter ihrem Präsidenten versammelt. Sowohl die oppositionelle wie auch die halbamtliche Presse diskutiert in für arabische Verhältnisse überraschend freizügiger Manier tagespolitische wie mittelfristige Optionen in der Krisensituation. Und da das Verteilen von Flugblättern oder das Organisieren öffentlichen Unmuts in Form von Versammlungen oder gar Demonstrationen unweigerlich zur Verhaftung führt, gelten die Zeitungen nicht nur als Sprachrohr diverser Gruppierungen, sondern sind darüber hinaus die einzige öffentliche Plattform.
Bei allen Entscheidungen von enormer politischer Brisanz fragt auch die ägyptische Regierung ihre demokratischen Institutionen lieber erst hinterher nach ihrer Meinung. Immerhin findet eine staatliche Zensur derzeit nicht statt. Bislang wurde nur der Rauswurf eines einzigen Journalisten aus einer der halbamtlichen Redaktionen bekannt, der die Verteidigung irakischer Positionen offenbar zu weit getrieben hatte.
Völlig kritiklos kommt jedoch der ägyptische Präsident nicht davon. Denn die Hoffnung der breiten Mehrheit, Ägypten endlich wieder zu dem zu machen, was ihm gebühre - nämlich die führende arabische Nation zu sein -, das hat Mubarak nicht geschafft. Daß er sich in den vergangenen sieben Jahren abgemüht hat, bestätigt wenigstens die halbamtliche Presse. Und daß schließlich Saddam Hussein den Präsidenten bei dessen Vermittlermission zwischen Kuwait und Irak ziemlich gemein aufs Kreuz legte, wird noch halbwegs mitfühlend eingeräumt. Doch diese Mission ist gescheitert, und die arabische Welt steht vor einem Desaster.
Tagamma kritisiert vor allem, daß Ägypten und Syrien sich beim Dringlichkeitsgipfel der Arabischen Liga hier in Kairo nicht entschieden genug gegen das Ansinnen der Saudis gewandt haben, die USA zur Hilfe zu rufen. Eine „arabische Lösung“ des Konflikts, so Philip Galab, hätte nicht nur die drohende militärische Eskalation vermeiden können, auch wäre den Amerikanern und befreundeten Westmächten die nun wohl besiegelte, dauerhafte Besetzung der Golfregion nicht ermöglicht worden. „Die Konfrontation mit 20 arabischen Armeen hätte Saddam Hussein zum Nachdenken gebracht“, behauptet Galab. Heftig kritisiert wurde auch Mubaraks Entscheidung, westlichen Kriegsschiffen die freie Passage des Sueskanals zu gestatten.
Bis auf die ebenfalls unter der Schirmherrschaft der Partei organisierten Nasseristen hat sich Tagamma zumindest öffentlich auf die Seite der Gegner Iraks geschlagen. Bemerkenswert insofern, als diese Haltung der Parteikasse vermutlich gröberen Schaden zufügt. Irak gilt als Hauptfinanzier von Tagamma und ist „ziemlich sauer“, so noch einmal Philip Galab.
Auch die ägyptischen Moslembrüder haben sich in den vergangenen Tagen ihres künftigen Unterhalts entledigt: Bei aller brüderlicher Liebe zum saudischen Königshaus können sie doch die Einladung an Washington nicht akzeptieren. Daß Ungläubige die heiligen Stätten des Islam verteidigen sollen, ist den „Echuan Muslimin“ nun doch zuviel. Daß nicht nur womöglich kurzberockte Frauen, sondern auch noch amerikanische Juden, womöglich gar Inhaber eines amerikanischen und eines israelischen Passes, in Mekka oder Medina patrouillieren, all das ist ihnen ausgesprochener Horror. So fordert denn auch Hamid Abu Al-Nasr, Führer der Echuan, den Irak auf, Saudi-Arabien alle nur möglichen Garantien zu geben, daß es keinesfalls militärische Aktionen gegen das Königreich im Schilde führt. Als könne die US -Intervention auf diese Weise rückgängig gemacht werden...
Bei Vorstellungen wie etwa der, daß die US-Army sich im Saudi-Land aufführte wie in Panama und den stets schläfrig wirkenden König Fahd zur Abwechslung mit zwei oder drei Songs von Bruce Springsteen weckte, kommt es im geselligen Kreis aber auch zu schallendem Gelächter. Denn außer den Moslembrüdern und der rechtsliberalen WAFD-Partei äußert niemand Sympathie für die Regimes am Golf. Zumindest den Kuwaitis wird noch zugestanden, daß sie Tropfen ihres enormen Petro-Reichtums in kulturelle Institutionen zur Erhaltung der arabischen Tradition fallen ließen. Doch ist es nicht nur Abstand zur durchgehend reaktionären Politik der Feudalherrscher am Golf, vielmehr echter Ekel vor dem undurchdringlichen Filz aus Korruption und Vetternwirtschaft, der Stimmung gegen die Golfaraber macht. Den letzten Beweis schamlosen Machterhaltungstriebes hat eben jetzt Saudi-Arabiens Regime erbracht.
Eine weitere moralische Kategorie erklärt Mohammed Sayed Said, Leiter der arabischen Sektion des Zentrums für politisch-strategische Studien, einem Brain-Trust, der von der Al-Ahram-Universität finanziert, jedoch weithin als politisch unabhängig und kompetent anerkannt wird: „Nicht jeder Ägypter weiß, daß Millionen Araber unter dem Existenzminimum leben. Doch jeder Ägypter hat mit eigenen Augen gesehen, wie die Petro-Araber die Dollars mit beiden Händen aus dem Fenster werfen.“
Die in Ägypten so weit verbreitete Haß-Stimmung gegen Irak wurzelt zumindest teilweise in Ereignissen, die schon Monate zurückliegen. Mit dem Versuch Mubaraks, das Kräfteverhältnis zwischen beiden Staaten innerhalb der Region stets in Balance zu halten, haben die Ereignisse nichts zu tun. Doch kann man wenigstens derzeit davon ausgehen, daß eine solche Stimmung geschürt wird, um die Politik des Präsidenten populär zu machen.
So kursieren täglich neue Horrormeldungen über Mißhandlungen und Greueltaten, ja regelrechte Pogrome, die sich ägyptische Männer und Frauen entweder in Irak oder von der irakischen Armee in Kuwait gefallen lassen müssen. Fast jede Familie ist davon betroffen. Geschätzte Zahlen beziffern die ägyptischen Arbeitskräfte in Irak und Kuwait auf circa eine Million. Neben dem Flüchtlingselend, das sich entlang der jordanisch-irakischen Grenze vor den Augen der Weltöffentlichkeit abspielt, wird Ägypten in diesen Tagen vor immense Probleme gestellt. Nicht nur die Arbeitslosenzahl springt schlagartig mit dieser Million Flüchtlinge in die Höhe. Schlimmer noch: die Früchte oft jahrelanger Arbeit werden derzeit nicht ausgezahlt. So bieten einige Dutzend Männer, schon an der ärmlichen Kleidung als Bau- oder Hilfsarbeiter zu erkennen, ein allabendliches Jammerbild, wenn sie sich auf dem Gehweg vor der El Rafidein Bank im Kairoer Stadtteil Dokki schlafen legen. Vor Monaten schon verweigerte die Bank unter Hinweis auf die kriegsbedingte Zahlungsunfähigkeit Iraks die Auszahlung von Sparguthaben der ÄgypterInnen. Täglich finden in den Schalterhallen regelrechte Schlachten statt. Die Direktion der Bank schweigt.
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