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Sowjetische Waffenexperten weiter im Irak im Einsatz

■ Die sowjetische Diplomatie schreckt davor zurück, alle Brücken zum vormaligen Verbündeten abzubrechen / Widerstand bei der sowjetischen Generalität

Moskau (wps/taz) - Obwohl Michail Gorbatschow die Invasion des Kuwait als „perfiden Akt“ verurteilt und die Sowjetunion dem Waffenembargo des UN-Sicherheitsrates zugestimmt hat, trainieren sowjetische Experten nach wie vor irakische Soldaten an dem von der Sowjetunion gelieferten Kriegsgerät. „Sie erfüllen im Irak ihre vertraglichen Pflichten, d.h., sie unterrichten im Gebrauch der Militärtechnologie“ erklärte Oberst Valentin Ogurtsow vom Verteidigungsministerium am Mittwoch. Er gab die Zahl der im Einsatz befindlichen Spezialisten mit 193 an; amerikanische Geheimdienstquellen sprechen hingegen von mehreren tausend Spezialisten. Ogurtsow präzisierte, daß das sowjetische Expertenteam in Wartungszentren und auf Schießplätzen konzentriert sei. Weder seien sowjetische Offiziere in Stabsstellen der irakischen Armee tätig, noch würden sie die Logistik organisieren; erst recht nähmen sie nicht an Kampfaktionen teil. Ogurtsow hielt sich mit Angaben über die Frage zurück, an welchen Waffen die Irakis gegenwärtig ausgebildet würden. Das Lieferprogramm der UdSSR: T-72 -Panzer, MIG-29-Düsenjäger, Boden-Boden-Raketen, Flugabwehrraketen und vieles mehr an modernstem Teufelszeug geben allerdings die Antwort. Elf von 17 Schwadronen der irakischen Luftwaffe und 4.500 von 5.000 Panzern sind sowjetischer Herkunft - ohne Wartungsexperten dürfte diese Streitmacht nicht sehr lang einsatzfähig sein. Ogurtsow gab zu erkennen, daß es Widerstand in der Armee gegen die Neuorientierung der sowjetischen Irak-Politik gibt: „Meinen Kollegen und mir ist klar, daß es schwieriger ist, Beziehungen zu einem Land aufzubauen, als sie abzubrechen“. In diesem Zusammenhang fällt auf den Irak-Besuch des vormaligen sowjetischen Stabschefs Makaschows kurz vor der Invasion des Kuwait neues Licht. Makaschow gilt als einer der Betonköpfe in der Armee, der Gorbatschows „Neues Denken“ auf dem Parteitag der KPdSU als „Fälschung des Leninismus“ bezeichnet hatte.

Außenminister Schewardnadse, der fast täglich mit Kollegen Baker telefoniert, wird unterdessen nicht müde, vor einem voreiligen Waffeneinsatz zu warnen. Dem Emissär der Saudis, Prinz Bandar, erklärte er, daß eine bewaffnete Konfrontation weltweite Konsequenzen haben könne. Falls Gewalt ausgeübt werde, müsse dies mit Billigung der UNO geschehen. Sprecher des State-Departments äußerten Verständnis für die Haltung der Sowjetunion, der alles „zu schnell gehe und zu weitreichend sei“. Sie glauben allerdings, daß die Sowjetunion dem Waffeneinsatz der USA nichts in den Weg legen würden.

Vitali Naumkin, einer der Chefs des Moskauer Orient -Instituts, warnte vor den politischen Folgen eines Militäreinsatzes. „Wirklich massiver militärischer Druck wird die fundamentalistischen Volksbewegungen in der Region verstärken und damit weder unseren Interessen dienen, noch denen der USA“. Er glaubt, daß die UdSSR - vor allem angesichts ihrer Afghanistan-Erfahrungen - auch im Falle einer UNO-gedeckten Militäroperation sich nur formal an Kriegshandlungen beteiligen würden. Wladimir Isajew, ein sowjetischer Ölexperte, bestritt, daß die SU aus der Erhöhung der Erdölpreise Nutzen ziehen könnte. Da der Irak seine Zahlungen an die UdSSR eingestellt habe, verliere diese in der Endabrechnung mehr, als sie gewinne.

Christian Semler

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