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Metamorphose der TUI

■ Der bundesdeutsche Reisegigant gibt sich eine neues Image

Der bundesdeutsche Reisegigant gibt sich ein

neues Image

VON CHRISTEL BURGHOFF

Seit über zwanzig Jahren verkauft der Tourismusriese TUI (Touristik Union International) Pauschalreisen und hat damit gute Geschäfte gemacht. Jetzt bricht bei der TUI der Wille zu Höherem durch, oder, anders gesagt, der unternehmensphilosophische Zeitgeist bricht sich Bahn in einem neu gestylten Firmenimage.

Die TUI gibt sich gewandelt. Sie hat ihre jahrelange Fixierung auf den simplen TUI-Service hinter sich gelassen und sucht mit ihrer neuen Kundenfangstrategie Anschluß an globale Menschheitsfragen. Wie ihrer Broschüre Neue Wege in die Zukunft zu entnehmen ist, habe ihr „der Blick auf die Erde als Ganzes“ auch den Blick für die Zukunft und Gefährdungen unseres Planeten eröffnet. „Jeder, der nur einen Funken Verantwortung hat, muß (...) neue Wege suchen, wenn wir alle eine gemeinsame Zukunft haben wollen.“ Der TUI ist dabei die Weisheit aufgegangen, „daß wir alle in einem Boot sitzen“.

Dieser Spruch aus der Mottenkiste reaktionären Unternehmertums erfährt bei der TUI eine erstaunliche Modernisierung. Wurde er früher dazu benutzt, die Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen zu diffamieren, so dient er heute fast als Droh mittel gegenüber Einzelreisenden, die - statt bei der TUI zu buchen - die Strände immer noch individuell verschmutzen.

Welch weitsichtige Unternehmensberatung auch immer der TUI ihre neueste Strategie verkauft haben mag - sie wirbt mit existentiellen Fragen, auf die sie zeitgerechte Antworten verteilt. Auf die Frage, „wo wir herkommen“, erfährt, die LeserIn etwas über die TUIsche Abstammungsgeschichte von „Ur -Vätern“ (unter anderem Dr. Tigges); auf die Frage, „wo wir hinwollen“, etwas über „Kernsätze für die Zukunft“.

„Die Welt ändert sich - die TUI ändert sich mit.“ Im neuen Weltbild der TUI verläuft der Wandlungsprozeß im großen wie im kleinen im harmonischen Gleichklang, und die TUI schwingt darin mit. Wie ist das möglich? Bei der TUI „spürt“ man, „daß Einstellungen, Erwartungen und Wünsche sich wandeln, daß Veränderungen notwendig werden“. Ihre Schwingungserfolge lassen sich unter anderem am „Bekenntnis zum Fachvertrieb“ oder am „neuen Konzept“ für das „Reisebüro der Zukunft“ oder am Anschluß an „Amadeus“, das neuen Computersystem, ablesen. Ob das existentiell befriedigt, sollten die Kunden selbst herausfinden.

Wie werden künftig die Schulungskurse für TUI -MitarbeiterInnen aussehen? Werden meditative Übungen zur Steigerung des „Spür„-Potentials die Regel sein? Wird man zwecks Umweltschutz zur gemeinsamen Strandreinigungen schreiten? Oder werden Hotelqualitätsprüfungen zum Programmpunkt landestypischer Ausflugsprogramme werden? Leider erfährt man zum Menschheitsthema Umweltschutz nichts Genaues. Neben einer Absichtserklärung steht lediglich geschrieben, daß die „Sensibilität für die Umwelt weiter steigt“ und daß die TUI deshalb einige Hotels aus ihrem Angebot gestrichen habe.

Der Tourismus hat zweifellos einen großen Anteil an der Zuspitzung der Probleme, die die TUI verbal beklagt: Umweltzerstörung, Dritte-Welt-Probleme, die wachsende Kluft zwischen „armen“ und „reichen“ Nationen, mangelndes Verständnis der Menschen und Völker untereinander und vieles andere mehr. Der einfachste Beitrag zur Lösung dieser Probleme bestünde darin, daß Großkonzerne wie die TUI ihre allmähliche Selbstauflösung ins Auge faßten und damit das Boot, in dem wir alle sitzen, um eine große Last leichter machten. Mit der Reduzierung des Massentourismus wäre bereits viel erreicht.

Zu befürchten ist jedoch, daß in Zeiten großer Worte und des kulturellen Aufbruchs in neue Dimensionen die einfachsten Gedankengänge nicht mehr gefragt sind. Deshalb eine bescheidene Bitte an die TUI, die doch auf Kundenwünsche abonniert ist: daß sie die Urlauber künftig mit ihrem modernistischen Gewaber verschonen möge.

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