: Friede über Legoland
■ Kurzweilige Kaffeefahrt in das Nichts vor der Erschaffung des Vorgartens oder aber: Zur Kultur des Baustoffs
Wo bin ich? Ein wunderliches Gelände. Plattgepflasterte Ödnis, hoch umzäunt. Weithin verstreut liegen Felsbrocken, schmucke Betonkübel, hinter Stapeln von Steinplatten ein Treppchen mit drei Stufen ins Leere. Hie und da wächst Buschwerk, das sind Eckchen, wie ausgeschnitten aus einem Park. Kein Mensch zu sehen. Sie werden gerade essen, die Archäologen.
Es ist eine Landschaft aus zerlegten Ruinen. Und zugleich das Gegenteil. Ein Baustoffmarkt. Hier lagert, wohlsortiert wie Bauklötze, die ganze Welt in Einzelteilen. Eine sonderbare Ursuppe: lauter Nichts, mit Betontrümmern eingebrockt.
Ich darf ein wenig hindurchspazieren mit dem Besitzer, aber nur um den Preis vollkommener Verschwiegenheit. Ich nenne ihn also den Herrn F., und der Herr F. also hat sich, sagt er, einen kleinen Traum erfüllt mit der gärtnerischen Anrichtung seiner Bau hierhin bitte
das Foto von dem dicken
Beton-Poller
Nr. A
stoffe, hier irgendwo im Süden unserer Stadt B., wo sie schon ganz schwach ist, weil hinter den Gewerbegebieten die Wildnis lauert. Der lyrischste Artikel des Herrn F. ist ein kleiner kompletter Teich. Daneben, unterm Flutlichtmast, ein hoher Altar aus Klinkern, es ist ein Grill.
Ein paar Schritte, und wir stehen vor Stapeln von Betonplatten. Lauter gefesselter Gebrauchswert. Da liegen sie müßig und klagen stumm, die gefalteten Gehwege, aber warte nur, balde! Werden sie ihre Stahlbänder sprengen und sich klappernd in alle Winde fortverlegen bis hinter den Horizont. Neben ihnen hausen gewöhnliche Pflastersteine (...communis) aus Beton in großen Mengen und den einfachen Formen der Grundschulgeometrie, Bogen, Raute, gestauchtes H. Sie sind schon ordentlich aufgestellt für ihr Leben draußen, zu seriellen, potentiell endlosen Or hierhin die Natur
felsblöckchen
Nr. B
namenten. Sie sind von unserer Zivilisation die Atome, die kleinsten unteilbaren Einheiten.
Herr F. seufzt hinter mir her, weil ich alles fotografieren muß, und jetzt auch noch die „Natursteine“. Das sind klumpige, graubraune Findlinge. Sie liegen in Haufen neben keramischen Tiefbau-Rohren und sind fremd hier. Sozusagen ruppige Behauptun hierhin der Stapel
Fußabstreifergitter
Nr.C
gen der Natur, hier zusammengetragen zu einer praktischen Zitatensammlung, aus der sich dann Landschaftsarchitekten bedienen. „Oder man bohrt ein Loch hindurch“, sagt Herr F., „dann hat man einen Springbrunnen.“ Ich darf ihn ja leider nicht knipsen.
Weiter. Wir kommen zur Abt. Plätze, Unterabt. Schmuck. Hier sind Betongußschalen ausgestellt und wunderbare Phallo -Poller und und Pflanzkästen, runde und rechteckige. Alles reglos, aber hinterrücks vermehren sie sich wie verrückt und fallen dann, frisch geklont, her über die Welt und möblieren unsere Straßen und Plätze, bis alles ein Vorgarten ist.
Gleich hinter der Vogeltränke steht ein besonders hübscher Pflanzkübel auf dickem Fuß. Man hat ihm die berühmte großblättrige Kelchform verliehen, und ich muß sagen, das hat was, so ein Betonguß, wenn er inspiriert ist von
diesem mythischen, verschollenen Zeitalter, ich glaube, es war die Barokokotik.
Ein letzter Blick über den Platz macht mich ein wenig frösteln. Mehrere ästhetische Universen sind hier ineinandergekracht, aber jetzt sieht die Unfallstelle so friedlich aus, ein eklektisches Tableau, wie gemalt, ja, wenn man das so sagen kann: ein Stilleben nach dem Tod.
hierhin der Stapel
Betonpflastersteine
Nr. D
Herr F. nimmt mich mit in sein Büro, dicksüße Luft weht hinter ihm, (welch ein Parfüm! ), ein Duft nach schweren, welken Blüten. Dann sitzen wir in Leder, Quatorze oder so oder sonst ein hierhin das
„Betonregal“
Louis, an der Wand klebt ein Gipsklecks mit Putto.Herr F. schenkt mir Neskaffee ein aus vergoldeter Thermoskanne, pafft ein wenig an seiner dünnen Zigarre und sagt: „Baustoff. Hm. Kultur, sagen Sie. Hm. Höchstens kann ich Ihnen erzählen...Ich kenne da eine alte Ziegelei in Friesland, die machen historische Klinker, alles von Hand, wie früher.“ Und bringt mir gleich einen Katalog. Manfred Dworscha
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen