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Heimkehr der verlorenen Söhne

■ In Ägypten wartet fast jede Familie auf Angehörige aus Irak oder Kuwait

Aus Kairo Petra Groll

„Mein Dorf wartet auf vierzehn Söhne, die alle in Irak gearbeitet haben“, erklärt Moussa, ein wohl fünfzigjähriger Mann, dem schon an der besonders dunklen Haut und dem in typischer weise geschlungenen Kopftuch die Herkunft aus dem oberägyptischen Said anzusehen ist. Aus dieser besonders armen Region des Landes soll der weitaus größte Teil aller nach Irak ausgewanderten Arbeiter stammen. Moussa, aus anderen Gründen in der Hauptstadt, gesellte sich zu den Hunderten von Schaulustigen und Angehörigen, die vor den Absperrungen des Kairoer Flughafens auf Heimkehrer aus Irak und Kuwait warten. Großes Glück müßte er wohl haben, ausgerechnet seinen Sohn hier zu treffen. Der ging vor drei Jahren als Bauarbeiter nach Irak und trug den Löwenanteil zum Einkommen der Familie bei. Im kommenden Winter habe er seinen Sohn verheiraten wollen, doch bestehe ja keine Hoffnung mehr, die Ersparnisse von der irakischen Bank ausgezahlt zu bekommen. „Das Geld ist weg, dafür haben wir wieder einen Esser mehr im Haus... Warum sollte gerade mein Sohn plötzlich Arbeit finden. Nicht umsonst mußte er in den Irak - Gott wird Saddam bestrafen.“

Nach mehreren Stunden in der prallen Sonne sehen die Wartenden nicht mehr viel besser aus als die Ankommenden. Mit monströsen Koffern und undefinierbaren Gepäckballen schieben die einen aus dem Gebäude, mit einem winzigen Bündelchen ihrer Habe einige wenige andere. Erschöpfung, Niedergeschlagenheit und Angst springen aus den unrasierten Gesichtern. Doch: Al-Hamdiliah-Al-Salame, Gott sei gepriesen, daß ihr heil angekommen seid, tönt es ihnen vielfach entgegen. Im Nu hängen wie Trauben Dutzende von Neugierigen an jedem einzelnen Ankommenden, denn welcher Ägypter vermißt nicht einen Angehörigen?

Zwei Tage seien sie von irakischen Soldaten kurz vor der Grenze festgehalten worden, Lebensmittel und besonders Wasservorräte seien verbraucht gewesen. Wasser hätte es wohl auf der anderen Straßenseite gegeben, doch seien sie bei jedem Versuch, das Auto zu verlassen geschlagen worden, die Soldaten hätten gedroht, sie zu erschießen, erzählt ein Mann. Andere wiederum erlebten Schlimmes erst, als sie im vermeintlich sicheren Jordanien angekommen waren. „Als wir in einem kleinen Dorf nach der Grenze halt machen wollten, weil wir kein Wasser mehr hatten, wurden wir mit Steinen beworfen, kaum daß wir das Auto verlassen hatten“, berichtet ein Mann. „Ägypter seien Verräter, die mit den Amerikanern gemeinsame Sache machten, schrien die Leute.“ „Es ist schwierig, der Wahrheit nahe zu kommen“, bemerkt ein ägyptischer Journalist, „oft vermischt sich eigenes Erleben mit Gehörtem, während des langen Wartens hat sich vieles verselbständigt.“ Mehr als eine Million ägyptischer StaatsbürgerInnen wird von offiziellen Stellen noch in Irak vermutet, mehr als 100.000 noch in Kuwait. Neben einer Luftbrücke, die seit Freitag mehr schlecht als recht funktioniert, und trotz EG- und saudischer Hilfe ist bislang nur ein winziger Bruchteil der Flüchtlingsmasse bewältigt. Am Sonntag haben 55 Busse einen Pendelverkehr nach Alexandria und Kairo aufgenommen. Auch der Bootsverkehr zwischen Jordanien und Ägypten soll noch einmal verstärkt werden.

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