: Roter Stern in Flammen
■ Nach dem Brand im KP-Gebäude werden Gespräche um eine Koalition schwieriger
Während in anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks zur nachrevolutionären Tagesordnung übergegangen werden muß und die drückenden wirtschaftlichen Probleme die öffentliche Diskussion beherrschen, dreht sich die Politik in Bulgarien wie im Nachbarland Rumänien immer noch um die Veränderung der alten Strukturen und Denkweisen. Zwar ist es in Bulgarien der in Sozialistische Partei umbenannten alten KP gelungen, die ersten demokratischen Wahlen im Frühjahr als Siegerin zu überstehen, doch ist ihre Mehrheit im Parlament keine komfortable: die unter ungünstigen Voraussetzungen startende Oppositionsbewegung „Union der Demokratischen Kräfte“ konnte gerade in letzter Zeit an Einfluß gewinnen. Kein Wunder also, daß der Reformflügel der Sozialistischen Partei eine große Koalition anstrebt, um die notwendigen Wirtschaftsreformen, die auch in Bulgarien zu Arbeitslosigkeit führen werden, nicht allein verantworten zu müssen. Mit der Wahl des Oppositionsführers Schilju Schelews zum Staatspräsidenten Anfang August war dazu der erste Schritt getan.
Wenn jetzt das Parteihaus der Ex-Kommunisten brannte, lag für die Demokratische Opposition der Schluß nahe, es könnte sich um eine groß angelegte Provokation des konservativen Flügels der Partei und der Sicherheitsbehörden im Stile des rumänischen Präsidenten Iliescu handeln, der nach dem Brand im Innenministerium die Bergarbeiter auf die Bukarester loshetzte. Sollte dem so gewesen sein, ist der Plan fehlgeschlagen. Auch die Sozialisten mit ihrer Theorie, rechtsradikale faschistische Kräfte steckten hinter dem Anschlag, können daraus kaum politisches Kapital schlagen. Zwar hat sich auch in Bulgarien eine Szene antikommunistischer Gruppierungen entwickelt, die von linken Anarchisten bis hin zu rechten, nationalistischen Gruppierungen reicht und aus der heraus sich eine im Land bislang unbekannte Militanz entwickelt hat - die Drohungen zweier junger Männer, sich selbst zu verbrennen, wenn die Roten Sterne nicht aus dem öffentlichen Leben verschwinden, zeugt davon -, aber die BulgarInnen wissen auch, daß die Oppositionspartei UDK nicht für alle diese Gruppen gerade stehen muß.
Doch trotz der scharfen Rethorik zwischen Opposition und Sozialistischer Partei ist der historische Kompromiß in Bulgarien noch nicht beendet, bevor er begonnen hat. Die objektiven Bedingungen drängen zur Zusammenarbeit der beiden großen Gruppierungen. Wenn die Rauchwolken über Sofia verflogen sind, wird diese Notwendigkeit die Fortsetzung der Verhandlungen erzwingen.
Erich Rathfelder
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