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Diskreter Schmarrn der Ceausescu-Bourgeoisie

■ In zwei neuen Bukarester Zeitschriften, 'Demokratia‘ und 'Romania Mare‘, tischen rumänische Wendehälse den LeserInnen Geschichtsklitterungen, Verschwörungstheorien und Abstrusitäten auf / „Wer hat auf unsere Soldaten geschossen?“

Aus Bukarest Roland Hofwiler

Als Propagandasekretär von Temeswar begann er in den siebziger Jahren seine höhere Laufbahn, die Schikanierung und letztendliche Ausbürgerung junger deutscher Banater Autoren wie Herta Müller, Richard Wagner, Helmuth Frauendorfer oder William Totok pflasterten ebenso seine Karriere wie die Affären um die Verbote kritischer Theaterstücke oder die Säuberungen im kulturellen Leben und Universitätenbereich. In den letzten Jahren hievte er sich gar als ganz eifriger Redenschreiber des Ceausescu-Clans bis zum stellvertretenden Leiter der Abteilung Propaganda und Presse beim ZK der Kommunistischen Partei empor.

Wer ist gemeint? Eugen Florescu, der ehemalige Hofdichter Ceausescus, der nach einer längeren Schweigepause jetzt in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift 'Demokratia‘ seine Gedanken über die Dezemberrevolution, über den Wiederaufbau Rumäniens, über Rache und Sühne zum besten geben kann. Noch bevor der vor Gericht stehende Nicolae Ceausescu junior, dem Volk als Nicu C. nicht minder verhaßt als seine hingerichteten Eltern, am letzten Freitag aufgrund einer Leberzirrhose bis zu der für den 3. September angesetzen Urteilsverkündung auf freien Fuß gesetzt wurde, sinnierte die 'Demokratia‘ bereits über die sogenannten Völkermordprozesse nach. Man erinnere sich, schon im Januar wurde einmütig die harte Bestrafung aller jener gefordert, die in irgendeiner Weise für die Toten vom Dezember mitverantwortlich zeichneten. Heute resümiert 'Democratia‘, da es nur 1.030 Tote gegeben habe, könne von Völkermord keine Rede sein, jede Revolution koste nun einmal Opfer. Einige Studenten wollten wohl immer noch gerne Revolution spielen, was für die junge Demokratie äußerst gefährlich werden könnte. Die Polizei in Bukarest müsse einfach dazu angehalten werden, härter gegen Unruhestifter vorzugehen.

Weit unverfrorener geben sich zwei andere Wendehälse, Eugen Barbu und Corneliu Vadim Tudor, beides Hofdichter unter dem roten Monarchenehepaar Ceausescu und beide über Jahrzehnte als Mitglieder des ZK in den obersten Schaltstellen der Macht aktiv. Sie gründeten gemeinsam die Wochenschrift 'Romania Mare‘ (Großrumänien), die sich großer Beliebtheit erfreuen soll und wie 'Democratia‘ landesweit mit 350.000 Exemplaren an den Kiosken ausliegt. Zwölf Nummern sind bisher erschienen und jede strotzt von Geschichtsklitterungen, Antisemitismus, Minderheitenhaß und vulgären Ausfälligkeiten gegen Oppositionelle. So behauptet Barbu in einer Titelgeschichte namens „Fremde Agenten“, er habe schon Anfang Dezember mit „Hilfe amerikanischer Freunde“ herausgefunden, daß beim sowjetisch-amerikanischen Gipfeltreffen von Malta die Großmächte das Schicksal von Ceausescu längst beschlossen hätten und auch genau festlegten, daß der Diktator bis Weihnachten hingerichtet werden müsse. Dazu Barbus wörtlicher Kommentar: „Wir gehören nicht zu jenen, die den von der Geschichte Abgelösten sogleich zertreten.“

Doch dem nicht genug. Der Herausgeber von 'Großrumänien‘ glaubt, daß neben KGB und CIA auch eine „ungarische Hand“ bei den Temeswarer Ereignissen im Spiel gewesen sein muß. Er beschuldigt direkt den reformierten Pastor Laszlo Tökes. Wörtlich stellt der Autor die Behauptung auf: „Laszlo Tökes war Oberst und wurde Anfang des Jahres zum Generalmajor befördert. Er wäre nicht der erste Schwarzrock, dem eine Pistole am Gürtel hängt, doch wir möchten ihm raten, sich seinem ursprünglichen Beruf als Geistlicher zu widmen und seine gefährliche Tätigkeit aufzugeben.“ Zum Schluß fragt Barbu: „Wer hat denn in Temeswar auf unsere Soldaten geschossen? Keinesfalls Rumänen, sondern Angehörige fremder Fallschirmtruppen. Hinsichtlich dieser Tatsachen lautet so die Hauptfrage, ob man Ceausescu nur auf diese Weise loswerden konnte, um den Preis so vieler unschuldiger Menschen?“

Ist diese „Analyse“ ein einzelner Ausrutscher? Keinesfalls. Da erklärt in einer anderen Nummer ein Schreiberling, die „Zigeuner“ hatten alle Moral verloren, seitdem der Conducator gestürzt worden sei. Nicht minder verunglimpft wird an anderer Stelle Oberrabbiner Moses Rosen, der ein ausgesprochener Rumänenhasser sei. Und noch eine letzte Kostprobe aus der Feder des Chefredakteurs: Corneliu Vadim Tudor nennt den Aufstand von Temeswar ein „schändliches Schauspiel“. Und weiter: „Die Unzufriedenheit der Bevölkerung ausnutzend, trieben einige tausend, im Zuge der Berliner und Sofiater Ereignisse aus Budapest eingedrungene Agenten mehrere Dutzend unschuldige Rumänen in den Tod meines Erachtens erschossen sie gar eigenhändig.“

In der neuesten Nummer meldet sich deshalb Generalmajor Neagu Cosma zu Wort und erklärt voller Stolz, es wimmle so von äußeren und inneren Feinden, daß man froh sein müsse über den „exzellenten Geheimdienst“, den Ceausescu weltweit aufgebaut habe und der noch immer funktionsbereit sei.

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