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"No Germans To The Front"

■ Vorläufige Argumente zum Golf-Konflikt - von Ralf Fücks (Bundestagskandidat der Bremer Grünen)

G A S T K O L U M N E

„No Germans To The Front“

Vorläufige Argumente zum Golf-Konflikt - von Ralf Fücks (Bundestagskandidat der Bremer Grünen)

Weshalb tun wir (Grün-Alternativ-Friedensbewegte) uns schwerer als sonst, mit klaren Positionen und Forderungen an die Öffentlichkeit zu gehen? Vermutlich, weil sich am Golf zwei ebenso grundlegende wie verschiedenartige Probleme überlagern: Die Notwendigkeit, einem ebenso brutalen wie expansiven Militärregime Einhalt zu gebieten und damit die Chance einer friedlichen Entwicklung im Nahen Osten zu verteidigen (also die Ebene der Demokratie und des Völkerrechts) ist das eine. Die Kanonenboot-Politik der USA, der unverholene Anspruch, die strategischen Interessen der Industriestaaten in der Ölregion Nr.1 mit aller Gewalt durchzusetzen, ist das andere. Im Golfkonflikt blitzt etwas von dem Widerspruch auf, der den Ost-West-Gegensatz als zentrale Achse der Weltpolitik ablösen wird: der Konflikt zwischen den industriellen Metropolen und den Massengesellschaften der 3. Welt. Mit dem alten antiimperialistischen Schema, in dem die Rollen von Guten und Bösen schon immer feststanden, ist das nicht mehr zu fassen. Mit Hussein solidarisieren? Ausgeschlossen. Den kriegerischen Aufmarsch der USA und die Juniorpartnerschaft der Bundesmarine zähneknirschend gutheißen? Unverantwortlich. Also begeben wir uns wieder auf die Suche nach dem „3. Weg“.

Mit der massiven Militär-Intervention der USA, die einen Vernichtungsschlag gegen Sadam Hussein zumindest einkalkuliert, gewinnt der „imperialistische“ Aspekt die Oberhand über das Völkerrecht: Die Vereinigten Staaten ziehen die Initiative an sich, gießen Öl ins Feuer, teilen die arabisch-islamische Welt in Gut und Böse, befestigen ihre Rolle als Supermacht, die ihre Interessen rund um den Globus mit Militärgewalt durchsetzt. Der kriegerische Aufmarsch der westlichen Führungsmacht, die faktische Verwandlung Saudi-Arabiens und der Emirate in Truppenstützpunkte der US-Army, die militärische Präsenz des „Großen Satans“ an den Heiligen Stätten des Islam provozieren nicht nur den Nationalismus der verarmten arabischen Massen, sondern mobilisieren den islamischen Fundamentalismus gegen die Machtentfaltung des Westens im Zentrum der arabischen Welt. Damit vertieft sich der Graben zwischen den industriellen Metropolen und den „antimodernistischen“ Strömungen in der 3. Welt, speziell im islamischen Raum.

Diese Politik öffnet nicht neue Wege für eine friedliche und demokratische Entwicklung im Nahen Osten (einschließlich Israel!), sondern provoziert neue Gewalt und verstärkt die Polarisierung der Extreme. Weil es weniger um die Motive der Akteure geht, schon gar nicht um ihr („imperialistisches“ oder sonstiges) Wesen, sondern um die konkreten Wirkungen ihrer Aktionen, ist das auch das entscheidende Argument gegen die gegenwärtige Interventionspolitik der USA.

Auch der Vergleich Sadam Husseins mit Hitler führt in die Irre - im Gegensatz zu Hitler ist der irakische Diktator in seiner Machtentfaltung nicht nur von der Tolerierung, sondern von der direkten finanziellen, technischen und militärischen Unterstützung der Industriestaaten abhängig. Deshalb stimmt auch die historische Analogie nicht, die irakische Militärdiktatur müsse durch eine kriegerische Intervention gestürzt werden, bevor sie die ganze Region mit Krieg überziehe. Ohne westliche Technologie, Berater, Kredite und ohne die Einnahmen aus dem Ölexport sind die Expansionsträume eines Saddam Hussein schnell ausgeträumt.

Weshalb tendieren die westlichen Industriestaaten unter Führung der USA dennoch dazu, den Konflikt militärisch auszufechten?

Erstens bekräftigen sie damit, daß Regionalkriege nur im Interesse und mit dem Placet des Westens geführt werden dürfen - nicht gegen sie. Für die USA ist die Golfkrise eine willkommene Gelegenheit, ihre Position als oberste Schutzmacht der kapitalistischen Welt zu befestigen. Zweitens kommt diese Krise wie gerufen, um das Feindbild der Zukunft aufzublasen und damit eine neue Scheinlegitimation für Rüstung und Militär im Westen zu schaffen, nachdem der Warschauer Pakt als Feindbild weggebrochen ist. Als Nebeneffekt kann ein Golfkrieg für die Rüstungsbranche der Industriestaaten zum großen Geschäft werden. Daß dieses Motiv aber nicht für alle Kapitalfraktionen gilt, zeigt ein Blick auf die Börse: Kriegsgefahr läßt die Kurse stürzen, Aussichten auf eine diplomatische Lösung geben Auftrieb. Außerdem sind Ökonomie und Politik zweierlei.

Alle Gründe gegen die Kanonenboot-Politik der USA sprechen zugleich gegen militärische Abenteuer der Bundeswehr am Golf. Aber was spricht gegen eine zukünftige Beteiligung der Bundeswehr an UN-Friedenstruppen? Immerhin hat jetzt auch Arafat den Ersatz aller „fremden Truppen“ in der Golf-Region durch UN-Friedenstruppen gefordert.

Hier hilft kein Hinweis auf die besondere deutsche Geschichte. 40 Jahre parlamentarisch-demokratische Normalität in der BRD, die antiautoritäre Kulturrevolution von 1968 ff in Westdeutschland und die gewaltfreie Revolution in der DDR, die zunehmende Integration der Bundesrepublik in supranationale Strukturen haben die Kontinuität zur nationalsozialistischen Eroberungspolitik zerbrochen. Sie wird sich auch so nicht mehr wiederholen.

Nein, die entscheidene Frage ist, ob wir die bisherige nationale und blockförmige Militärpolitik durch eine blockübergreifende Welt-Sicherheitspolitik im Rahmen der UN ersetzen wollen - und ob dafür eine internationale Interventionsstreitmacht als ultima ratio zum Schutz des Völkerrechts notwendig ist. Ist es nicht tausendmal besser, wenn diese Streitmacht bei den Vereinten Nationen angesiedelt und einer demokratischen Willensbildung unter Einschluß der 3.-Welt-Staaten unterworfen ist, als daß die USA bzw. ihr atlantisches und ihr asiatisches Militärbündnis diese Rolle an sich reißen?

Dagegen spricht nicht nur, daß die Vereinten Nationen noch weit davon entfernt sind, ein gleichberechtigtes Weltforum zu sein. Außerdem würde die Zentralisierung militärischer Gewalt bei einer anonymen internationalen Großorganisation jeden unmittelbaren, demokratischen Zugriff der Bevölkerung auf die entscheidende Frage von Krieg und Frieden ausschalten. Schließlich birgt auch das Eingreifen von UN -Interventionstruppen die Gefahr einer weiteren Militarisierung der internationalen Politik. Statt uns am Spiel mit dem Feuer zu beteiligen, sollte unsere Rolle darin bestehen, für eine konsequente Entmilitarisierung innen- und außenpolitischer Konflikte zu kämpfen. Der Stopp aller Rüstungsexporte in die 3. Welt wird mehr für den Frieden bewirken, als jede mit den besten Absichten entsandte deutsche Kompanie im Rahmen der UN-Streitkräfte. Was wir tun können, ist an der Abrüstung des Nordens zu arbeiten - nicht nur an der militärischen, sondern ebenso an der industriellen Abrüstung, an der Reduzierung der materiellen Produktion und Konsumtion in den industriellen Metropolen.

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