DDR-Konsumgüter suchen ihre Kunden

■ Erste Konsumgütermesse aus der DDR geht heute zu Ende / Schon immer wurden viele Produkte ausschließlich im Westen abgesetzt / Besonders die Textilindustrie steht vor großen Problemen / Unsicherheit und Zuversicht wechseln sich ab

Von Karin Mayer

Da steht es: das Polsterbett „Nancy“. In der hintersten Ecke der Messehalle zehn wartet es auf westdeutsche Möbelhändler. Die drei Betten, die die Polstermöbel GmbH zur Sonderschau „Konsumgüter aus der DDR“ ins Westberliner Messezentrum mitgebracht hat, könnten genauso in einem westlichen Kaufhaus stehen. Wen wundert's? Das ehemalige Kombinat hat schon vor der Wende 40 Prozent der Betten in die Bundesrepublik geliefert. DDR-Produkte der real existierenden Ästhetik sind in der Ausstellung kaum zu finden.

„Partner für eine erfolgreiche Zukunft“ möchten 201 kleine und mittlere Betriebe aus Textil-, Möbelindustrie und Handwerk für West-Firmen werden. Aber Geschäftsführer Arno Müller von der Berliner Polstermöbel GmbH fürchtet, daß die Preisentwicklung diesen Partnerschaften entgegensteht. Sein Doppelbett „Nancy“ wird er jedenfalls nicht mehr lange für 700 Mark verkaufen können. „Bisher mußten wir die Möbel für Dumpingpreise an den Westen verkaufen.“ Der Staat zahlte den Rest. Ob die West-Kunden erhalten bleiben? Noch hat kein Messebesucher den Weg zu „Nancy“ gefunden.

„Konsumgüter aus der DDR“ - die wenigsten West-Käufer wissen, was sie schon immer von ostdeutschen Betrieben benutzt haben. Plüschtiere und Schuhe in den Farben schwarz und lila füllten auch bisher Regale in der Bundesrepublik; in der DDR wurden nur wenige dieser Modelle angeboten. Auch „Veritas-Nähmaschinen“ wurden - allerdings unter anderen Namen - in der Bundesrepublik verschleudert. Das neueste Modell: poppig-punkig, schwarz mit grün-violettem Aufdruck. Joachim Krause von den Nähmaschinenwerken Wittenberg ist zuversichtlich, auch wenn Kunden bisher auf sich warten lassen. Mit 430.000 Nähmaschinen im Jahr ist Veritas die größte Nähmaschinenfabrik in Europa und damit Konkurrent für westdeutsche Hersteller. Zwei Drittel davon wurden exportiert. Auch Krauses Devise lautet: „Die Preise müssen sich für uns verbessern.“ Über 2.000 Menschen hat das Werk bislang beschäftigt. „Nicht haltbar“, gibt Krause zu. Vorruhestand und Kurzarbeit sind Worte, die ihm leicht über die Lippen gehen.

Was derzeit in Berlin zu sehen ist, wurde zum Teil erst in diesem Jahr entwickelt: die moderne Büroeinrichtung ebenso wie Babyseife und neue Krawatten. „Die Krawatte ist wieder im Kommen,“ kann man vom Vertreter der Textilwerke Mülsen GmbH erfahren. Seit Anfang des Jahres gibt es rege Kontakte zu West-Firmen: 90 Prozent der Aufträge kommen aus der Bundesrepublik. 8.000 bis 10.000 Krawatten spuckt das Werk täglich aus. „Weil wir nicht in der Lage sind, auf Anhieb hochmodische Stoffe zu produzieren, kaufen wir die Textilien im Westen ein.“ Das wird aber zum Problem für die werkseigene Weberei, der jetzt die Aufträge fehlen. Auch längerfristig wird sich daran nichts ändern, weil die Maschinen der Mülsen GmbH nur für Kunstseide verwendbar sind und die Umstellung auf andere Garne zu teuer wäre. Das Hauptprodukt der VEB Mülsen waren Futterstoffe. Die sollen zwar weiter in der DDR verkauft werden; zur Messe haben die beiden Geschäftsführer die Stoffe aber nicht mitgebracht.

Die Textilindustrie tut sich schwer, auf dem bundesdeutschen Markt Fuß zu fassen. Vom „Mißtrauen gegen DDR-Produkte“ ist hier die Rede. Wolfgang Wersich, Geschäftsführer der Estermoden Lederwaren GmbH, will sich nicht kleinkriegen lassen: „Mit solchen Topmodellen, die wir anzubieten haben, kann man schon geduldig sein.“ Modisch, preiswert und von guter Qualität seien seine Lederjacken, Taschen und Anzüge; die müßten einfach Abnehmer finden. Aber dann bröckelt Wersichs Optimismus doch: „Die Stimmung im Betrieb ist gedrückt.“ Von 180 sind nur noch 80 ArbeiterInnen in der Lederverarbeitung beschäftigt. Die Lederwaren GmbH ist einer von 16 Betrieben, die früher ein Kombinat waren und jetzt den Lausitzer Verband der Textil und Bekleidungsindustrie in Cottbus bilden. Insgesamt arbeiten hier 19.000 Menschen. Bis Ende November nähen 50 ArbeiterInnen Jacketts und Hosen für die Sowjetunion. Geschäftsführer Manfred Zwicker: „Die Sowjetunion hat kurz vor der Wende ihre restlichen Ostmark ausgegeben.“ Aber Aufträge müssen her. „Wir wollen weiter Richtung Osten arbeiten, wenn die zahlungsfähig sind.“ Verkaufen wolle er sich nicht, sagt Zwicker und äugt neidisch an den Nachbarstand, wo einige Händler Interesse zeigen. Für 350 bis 400 Mark sollen Cottbuser Anzüge an den Endverbraucher gehen. Aussichtslos ist die Situation nicht. Schon zwei Stunden nach Eröffnung waren 110 Eintrittskarten verkauft; geschäftige Herren mit Aktenköfferchen besuchen die Messe. „Wir haben schon lange Verbindung zu DDR-Firmen,“ sagt einer auf die Frage, ob er Geschäftskontakte knüpfen will. Daß die Textilindustrie keine Zukunft hat, sei noch lange nicht bewiesen. Ein Herr mit großgemustertem Hemd und Dreitagebart schlendert dem Ausgang zu: „Ich habe gerade einen Auftrag über 10.000 Mark plaziert - Herrenblazer“.

Außer Textilien werden auf der Messe Kunsthandwerk, Spielzeug und Kosmetika angeboten. Und manche Produkte haben immer Konjunktur: Die Plastina GmbH aus Erfurt hat außer Babyflaschen und Luftballons Kondome mitgebracht. Mit fünf Fingern an der Spitze oder bunten Gesichtern, „für den lustigen Herrenabend“, meint die Plastina-Vertreterin. Absatzprobleme in diesem Bereich hätte es weder vor noch nach der Wende gegeben.