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Was macht der Bundesgrenzschutz in Lagos?

■ Er kontrolliert die Visa der Lufthansa-Passagiere - und hebelt das Asylrecht aus / Flughafenkontrollen im Ausland seit Jahren Praxis / Der Einsatz des BGS außerhalb der Bundesrepublik ist unter Juristen heftig umstritten

Von Andrea Böhm

Ob politisch Verfolgte in der Bundesrepublik Asylrecht genießen, wird längst nicht mehr nur in Frankfurt, Berlin und Zirndorf entschieden, sondern bereits in Nigeria und im Sudan. Nach Informationen der taz werden unter anderem auf den Flughäfen in Khartoum und Lagos Angehörige des Bundesgrenzschutzes eingesetzt, um Pässe und Visa der Passagiere zu kontrollieren - und sie gegebenfalls am Flug in die Bundesrepublik zu hindern.

Der Einsatz des BGS im Ausland findet in einer rechtlichen Grauzone statt, in der das Bundesinnenministerium nun schon seit Jahren Fakten schafft. Wie Mitarbeiter der Lufthansa berichten (siehe Interview) treten die Bundesgrenzschützer dabei in Lufthansa-Uniformen und mit Lufthansa-Pässen auf. Artikel 16 („Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“) des Grundgesetzes wird damit bereits ausgehebelt, bevor ein Flüchtling überhaupt bundesdeutsches Territorium betreten und seinen Anspruch auf ein Asylverfahren geltend gemacht hat.

Von Flüchtlingsorganisationen war diese Praxis schon länger vermutet worden. Seit Einführung des Visumzwangs Anfang der achtziger Jahre sind Flüchtlinge zunehmend gezwungen, sich gefälschte Papiere zu besorgen um aus dem Land zu kommen, da ihnen häufig die Ausstellung eines Passes verwehrt wird. Auch diesen Fluchtweg versuchte die Bundesregierung 1987 zu versperren: Transportunternehmen wurden mit Sanktionen bedroht, falls sie Passagiere ohne ausreichende Einreisepapiere beförderten. Entsprechende Passagen sind auch im neuen Ausländergesetz und im Schengener Abkommen (ein Vertrag von fünf EG-Staaten über die Harmonisierung ihrer Einreisebestimmungen) enthalten. Vor allem die Fluggesellschaften werden auf diese Weise faktisch zu Asylbehörden umfunktioniert.

Im Fall der Lufthansa leisten nun die BGS-Paßkontrolleure tatkräftige Unterstützung. Die Maßnahme führt zum gewünschten Erfolg - zumindest aus Sicht ihrer Erfinder. MitarbeiterInnen von Asylgruppen und Beratungsstellen, wie die Leiterin des Frankfurter Flughafensozialdienstes, Petra Schmolling, können vorerst nur hilflos feststellen, daß „mit der Lufthansa kaum noch ein Flüchtling durchkommt“.

Wie die taz aus Kreisen des BGS erfuhr, wurden entsprechende Kontrollen zum ersten Mal vor rund sechs Jahren unter anderem auf dem Flughafen in Colombo durchgeführt, „als die ganze Welle aus Sri Lanka kam“. Später wurde die Liste mindestens um Nigeria, Ghana und Sudan erweitert. „Unsere Leute sollen ja nur prüfen, ob das Visum echt oder gefälscht ist“, so ein BGS-Mitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden will. „Mit Asyl hat das nichts zu tun.“

Die Kontrollen durch den Bundesgrenzschutz geschehen mit dem Wissen der jeweiligen Regierung. Allerdings stellen sie den deutschen Grenzschützern zur Arbeit in ihrem Hoheitsgebiet nur Touristenvisa aus. Nach Ablauf werden die BGSler abgezogen und wandern zur nächsten Auslandsstation weiter.

Bei der Fluggesellschaft hielt man sich auf Anfrage bedeckt. „Mit der höflichen Bitte um Verständnis“, so Christian Klick von der Pressestelle in Frankfurt, würden alle Anfragen zu sicherheitsrelevanten Themen ablehnend behandelt. Beim Betriebsrat wiederum wußte man zwar von Sicherheitskontrollen durch die Grenzschützer, „aber daß die sich auch die Pässe ansehen, ist uns nicht bekannt“. Ähnlich verblüfft reagierte der Vertreter des Hohen Flüchtlingskomissars der Vereinten Nationen (UNHCR).

Die tätige Mithilfe des BGS bei der Suche nach Bomben im Gepäck und bei anderen Sicherheitskontrollen der Lufthansa ist auf ausländischen Flughäfen bereits seit längerem üblich. Auch für sogenannte Sicherungsaufgaben, zu denen Gesellschaften wie die Lufthansa verpflichtet sind, leiht der BGS seine Beamten aus - vorausgesetzt, diese haben ihr Einverständnis erklärt. Über die rechtliche Zulässigkeit solcher Auslandseinsätze streiten sich die Juristen. BGS -Beamte sorgen zum Beispiel für den „reibungslosen“ Ablauf bei Abschiebungen - eine Tätigkeit, die im Amtsdeutsch unter dem beschönigenden Titel „Flugbegleiter“ aufgeführt wird. In Wahrheit handelt es sich um eine Zwangseskorte für Flüchtlinge, die sich gegen ihre Abschiebung wehren.

BGS-freundliche Gesetzeskommentatoren halten selbst Grenzabfertigungen durch den BGS im Ausland für rechtens, wenn sie durch zwischenstaatliche Abkommen geregelt seien. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kam im August letzten Jahres, als der Einsatz von BGS-Einheiten im Rahmen der UNO in Namibia diskutiert wurde, zu einer anderen Schlußfolgerung: „Der Bundesgrenzschutz kann im Prinzip nur im Inland eingesetzt werden.“

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