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Lafontaine: Verzicht und Solidarität!

■ Kanzlerkandidat stellte in Leipzig die SPD-Kandiaten für die Landtagswahlen am 14. Oktober vor

Leipzig (taz) - SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine nutzte gestern eine Stipvisite auf der Leipziger Messe, um die sozialdemokratischen Spitzenkandidaten für die DDR -Landtagswahlen vorzustellen. Dabei präsentierte er auch sein Programm zur Gestaltung der Einheit. Vor Lafontaine hatten die SPD-Kandidaten die Chance zur Präsentation. Mecklenburgs Klaus Klingner wollte „aufräumen“ und „Land gewinnen“, kündigte eine Strukturhilfe für die bedrohte Küstenregion an und eine Überbrückungshilfe für die Landwirtschaft beim Marsch in die EG. Manfred Stolpe klagte noch einmal für Brandenburg mehr Geld für die Kommunen ein. Für Sachsen-Anhalt bat Reinhard Höpner den Wähler, die SPD als Gegenkraft zum Bund in den Landtag zu stimmen. Anke Fuchs, Spitzenkandidatin in Sachsen, fragte vor allem, wie die nächsten zwei bis drei Jahre zu überstehen wären.

Oskar Lafontaine selbst warf der Bundesregierung vor, daß sie sich im hoffnungslosen Unterfangen verstricke, Methoden der entwickelten sozialen Marktwirtschaft auf ein derartiges Krisengebiet wie die Noch-DDR anzuwenden. Es sei falsch gewesen, der Regierung Modrow die Finanzspritze zu verweigern, anstatt sie frühzeitig zum Ausbau der Infrastruktur in der DDR einsetzen zu lassen. Kohl und de Maizere hätten mit dem Versprechen, keinem gehe es nach der Währungsunion schlechter, einen schweren Fehler gemacht. Die Währungsunion wäre ein hervorragendes Konjunkturprogramm für die bundesdeutsche Wirtschaft gewesen, aber für das Gebiet der DDR seien in diesem Zusammenhang folgenreiche Fehlentscheidungen getroffen worden. Die Absatzmärkte der DDR-Betriebe seien sinnlos zerstört worden, in der Eigentumsfrage hätten sich ohne die Intervention der Sozialdemokraten die Rückgabebestrebungen der CDU fast zu einem erstrangigen Investitionshindernis ausgewachsen. Die Kreditfähigkeit der DDR-Betriebe sei nicht berücksichtigt worden und schließlich konzentriere sich die Investitionsförderung nur unzureichend auf das Gebiet der DDR - und verfehle damit ihren Effekt.

Lafontaine betonte, daß die vermutlich benötigten 100 Milliarden Mark nicht so nebenbei besorgt werden könnten: Es brauche Verzicht und Solidarität, es brauche Steuererhöhung. Für Lafontaine ist klar, daß die Union die Steuererhöhung auf die Mehrwertssteuern umlegen werde, womit die Großverdiener, die bereits von der Währungsunion belohnt worden seien, erneut besser wegkämen. Ein Finanzierungsmix aus höheren Unternehmenssteuern, Kürzungen des Verteidigungsetats und anderen Umschichtungen zusammen mit einer staatlichen Beschäftigungsorganisation wären langfristig die einzig ehrliche Antwort auf die Forderung des Einigungsprozesses.

Stefan Schwarz

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