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Noch viel Dissens bei 4+2-Runde

■ Verhandlungen stehen unter massivem Zeitdruck / Streitpunkt unter anderem Bodenreform in der SBZ

„Abschließende Regelung zu den äußeren Aspekten der deutschen Einigung“ heißt es im bisherigen Entwurf des Schlußdokumentes der 4+2-Gespräche. Vorgesehen sind neben einer Präambel Artikel über

-die Grenzregelungen,

-die Friedenspflichten der Deutschen,

-den Verzicht auf ABC-Waffen, die Streitkräftebegrenzung und den militärischen Status des Ex-DDR-Territoriums,

-die Ablösung der allierten Rechte.

Umstritten ist die Bezeichnung des Dokuments. Moskau wünscht einen Titel mit dem Wort „Vertrag“, um das Abkommen in die Nähe eines Friedensvertrages zu rücken. Die USA sind dagegen - allein deswegen, weil ein Vertrag durch den Kongreß in Washington ratifiziert werden müßte. Er würde eventuell zeitraubende Anhörungen ansetzen, um sich nicht überfahren zu lassen. Der amtierende DDR-Außenminister, Ministerpräsident de Maiziere, favorisiert den Titel „Übereinkommen“.

Moskau besteht auf einer Regelung für die Verifikation (Überprüfung) der von den Deutschen gemachten Zusagen für einen Verzicht auf eigene ABC-Waffen und für die Reduzierung der Streitkräfte auf 370.000 Mann sowie des militärischen Status‘ des Ex-DDR-Territoriums. Als Verifikationsinstanz böte sich die KSZE an. Das wird von Bonn jedoch abgelehnt angeblich lediglich mit Rücksicht auf die USA.

Washington widersetzt sich bisher jeder Übertragung von Rechten an die KSZE und ihrer Institutionalisierung. Bonn hat bislang keinen eigenen Vorschlag eingebracht und plädiert für die Ausklammerung dieser Frage aus dem 4+2 -Dokument und ihre Regelung zu einem späteren Zeitpunkt.

Die Sowjetunion verlangt eine eindeutige Vertragsformulierung, durch die ein Überschreiten der ehemals deutsch-deutschen Grenzlinie durch westliche Stationierungstruppen ausgeschlossen wird. Die USA und Großbritannien lehnen dies strikt ab. Bonn ist dafür, wenn die Nato-Beistandspflichten davon nicht berührt sind. Im Klartext: Im Spannungs-oder Verteidigungsfall dürfen Nato -Truppen auf Ex-DDR-Territorium vorrücken. Bonn möchte an dieser Stelle im Abkommen „das Recht Deutschlands auf Mitgliedschaft in einem Bündnis mit allen daraus sich ergebenden Rechten und Pflichten verankern“.

Ein weiterer Streitpunkt ist die Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zwischen 1945 und 49. Die Regelungen im deutsch-deutschen Einigungsvertrag könnten vom Karlsruher Bundesverfassungsgericht als Verstoß gegen das Grundgesetz gewertet und aufgehoben werden. Doch der UdSSR liegt daran, daß die von ihnen vorgenommenen Enteignungen von Großgrundbesitzern in Ostelbien nicht rückgängig gemacht werden.

Deshalb ihr Beharren auf einen internationalen „Vertrag“: Anders als eine bloße Übereinkunft wäre er nicht der Rechtssprechung durch das Bundesverfasungsgericht unterworfen.

Ulrich Albrecht (ehemaliger Chef des Planungsstabes im DDR -Außenministerium)/Andreas Zumach

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