: Engpässe bei der Berliner Aids-Hilfe
■ Mit den im Haushaltsentwurf vorgesehenen Geldern für das kommende Jahr können die Berliner Hilfsorganisationen ihr Angebot nicht aufrechterhalten / Senatorin Stahmer weist die Vorwürfe zurück
Schöneberg. Das Aids-Koordinationstreffen der Berliner Selbsthilfegruppen (AKT) schlug gestern auf einer Pressekonferenz in der Schwulenberatungsstelle Mann-O-Meter Alarm. Ab Anfang nächsten Jahres drohe den an Aids erkrankten Menschen in Berlin der ambulante Pflegenotstand, falls der Haushaltsentwurf des Senats wie geplant verwirklicht werden sollte. Die vorgesehene Erhöhung der Senatsunterstützung reiche gerade zur Finanzierung der Personalkosten. 322.000 DM fehlten den Selbsthilfegruppen für das kommende Jahr. Von Einschnitten bedroht sei auch die Aufrechterhaltung der bisherigen Vorbeugungs- und Beratungsaktivitäten.
Mehr Menschen als je zuvor erkranken inzwischen an Aids. Allein in Berlin wird für 1991 mit 1.000 Vollbildpatienten gerechnet. Derzeit leben mehr als 600 akut erkrankte Menschen in der Stadt, infiziert sind etwa 25.000. Dank verbesserter Behandlungsmethoden leben sie inzwischen länger, leiden aber an schwerwiegenderen Symptomen wie qualvollen Durchfallserkrankungen, Blindheit oder immer häufiger auftretenden krankhaften Gehirnveränderungen.
Die Anforderungen an Pflegekräfte und Angehörige sind daher gewachsen, und die Notwendigkeit einer psychosozialen Betreuung nach dem Krankenhausaufenthalt ist akuter denn je. Trotzdem sind zum Beispiel bei der Berliner Aids-Hilfe (BAH) gerade in diesem Bereich zwei Stellen gefährdet, eine davon im Auguste-Viktoria-Krankenhaus. Dort bemüht sich ein Mitarbeiter der BAH um die Vermittlung vom Aids-Patienten an ambulante Pflegestellen.
Doch die Vermittlungsversuche enden immer öfter erfolglos. So ist HIV e.V., eine von Schwulen organisierte ambulante Pflegestation, mit zur Zeit 15 Pflegefällen an die Grenzen seiner Kapazität angelangt. Er fordert zwei weitere Pflegestationen nach seinem Vorbild - doch bisher ohne Erfolg. Gefährdet sind auch die vom HIV e.V. veranstalteten Aids-Fortbildungskurse für die Sozialstationen der Bezirke. Dort sind viele Pflegekräfte im Umgang mit Aids-Patienten noch immer überfordert.
Die Mitarbeiter bei Mann-O-Meter in der Motzstraße sind ebenfalls überfordert. Etwa 2.000 Menschen lassen sich dort im Monat beraten - doppelt so viele wie vor der Grenzöffnung. Trotzdem ist der bisher ABM-geförderte Arbeitsplatz eines Diplompsychologen gefährdet.
In der nächsten Woche wird sich der Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses mit dem Haushaltsentwurf beschäftigen. Gesundheitssenatorin Ingrid Stahmer (SPD) wies die Forderungen der Selbsthilfegruppen zurück. Im Haushaltsentwurf seien etwa 20 Prozent mehr Mittel für die Projekte vorgesehen. Der Gesamtetat der Gesundheitsverwaltung steige nur um 5,3 Prozent.
Marc Fest/dpa
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