: Schwarze Anzüge im Tenniszirkus
■ Die „Player's Lounge“ als Geschäftszimmer
PRESS-SCHLAG
Die sogenannte „Player's Lounge“, der Raum also, in dem sich die SpielerInnen bei den US Open tagsüber aufhalten, ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Ursprünglich sollte hier den Profis Gelegenheit gegeben werden, vor dem anstehenden Match Ruhe zu finden, sich von dem Starrummel um die eigene Person zurückzuziehen, schlichtweg: einfach mal Mensch zu sein.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Sicher: Ab und zu sieht man schon mal einen Spieler in der Player's Lounge herumliegen, der gerade vom Trainer oder vom Herrn Papa genüßlich massiert wird; auch ein Schachspiel wird herumgereicht, das den Sportlern die lange Wartezeit vor Matchbeginn verkürzen soll. Doch nur den wenigsten Tennisprofis gelingt es bei dem täglichen Trubel im Spielerzentrum, sich einmal locker in den Sessel zurückzulehnen und auszuruhen.
Der Grund ist offensichtlich: die Player's Lounge hat mit der Zeit eine ganz andere Funktion bekommen, nämlich die eines Geschäftszimmers. Täglich trudeln diverse Sponsoren herein, die darauf aus sind, mit den Profis und anderen gutsituierten Damen und Herren das „große Ding“ einzufädeln.
Sie sind leicht ausfindig zu machen: Meistens sind es Herren mittleren Alters, die branchenüblich im Anzug mit Krawatte und Aktenköfferchen herumschleichen. „Oh, hallo, freut mich, Sie kennenzulernen. Haben Sie eine Minute für mich Zeit?“ So oder ähnlich fangen diese Herren ihre Gespräche, die dann oftmals einige Stunden dauern.
Übrigens gibt es im Tenniszirkus zwei Arten von Geschäftsmännern. Die einen sind ausschließlich darauf aus, mit den Spielerinnen und Spielern Werbeverträge abzuschließen. Interessant, das heißt profitverdächtig, wird ein Spieler, wenn er den Sprung unter die sechzig besten der Welt geschafft hat. Akzeptieren die Spieler, verpflichten sie sich in der Regel, für ein Produkt, sei es auf dem Trikotärmel oder einem Plakat, zu werben. Es ist kein Geheimnis, daß die hierbei erzielten Einnahmen häufig die Gesamtsumme des jährlich eingespielten Preisgeldes übersteigen.
Die andere Art von Geschäftsmännern, die die Player's Lounge unsicher macht, bietet ein gänzlich anderes Produkt an: Nachwuchsspieler. Für diese Ware werden Investoren gesucht, z.B. Tennisprofis und Trainer mit Spitzenverdiensten. Die müssen ja ohnehin ihr Geld ständig irgendwo investieren. Der Verhandlungsverlauf ist recht simpel. Es geht meistens um Teenies, die bereits soundsoviel Turniere gewonnen haben und diverse Anzeichen dafür aufweisen, innerhalb der nächsten Monate oder auch Jahre den Sprung in die Profiriege zu schaffen.
Dafür braucht es aber eine Menge Geld, denn nicht jeder hat reiche Eltern oder einen Tennisverband hinter sich, der die anfallenden Kosten (Flüge, Hotels, Ausstattung) übernimmt. Wer in einen solchen Nachwuchsspieler investiert, verdient erst, wenn er auch tatsächlich hohe Preisgelder einspielt. Je nach Vertragsklausel muß dann der Jungprofi einige Prozente seines Verdienstes - manchmal über Jahre hinweg rausrücken.
Nicht umsonst spricht man vom „Tenniszirkus“. Die Show in der Manege mag ja atemberaubend sein; hinter der Bühne geht es nüchtern zu, wird sich abgeschminkt, kalkuliert und Bilanz gezogen.
Aber der Begriff Zirkus geht nicht weit genug. Die Tennisszene ähnelt einer Pferderennbahn, in der man auf eine Kreatur Geld setzt, in der Hoffnung, daß sie schön brav trainiert, sich nicht verletzt, gewinnt und: Geld abwirft.
Ralf Stutzki
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