Roma-Abschiebung „im besten Einvernehmen“

■ Ausländerpolizei: Trennung von der Mutter „freiwillig“ unterschrieben / Lehrerin: „Die Familie war fix und fertig“

„In meinem ganzen Leben habe ich noch keine Menschen gesehen, die soviel Angst hatten wie die Familie Useinoski“, erinnert sich die Lehrerin der Bremerhavener Geschwister-Scholl-Schule, Günel Baki. Am Mittwoch vergangener Woche hatte sie der Vater und seine vier Kinder zum letzten Mal besucht. Die Familie gehört zu den heimatlosen Roma, die seit Juli in Bremerhaven von der Abschiebung bedroht sind. Schon am Donnerstag morgen wurde dann eines der Kinder direkt aus dem Unterricht geholt, die Familie zum Bremer Flugplatz gebracht und weiter nach Jugoslawien ausgeflogen. Zurück blieb nur die Mutter, die erst am Mittwoch aus dem Krankenhaus entlassen worden war und nicht reisefähig ist.

Die offizielle Version, die Bremerhavens Magistrats-Sprecher, Volker Heigenmoser, gestern auf Anfrage mitteilte, lautet so: „Die Familie hat im Gespräch mit der Ausländerbehörde ihr schriftliches Einverständnis zur Abschiebung und zur Trennung von der Mutter gegeben.“ Es habe sich um eine „freiwillige Abschiebung im besten Einvernehmen“ gehandelt. Die Mutter der Familie Useinoski werde in Bremerhaven noch zu Ende behandelt und erst nach ihrer Genesung ebenfalls abgeschoben.

„Die ganze Familie war fix und fertig“, weiß dagegen die Lehrerin Günel Baki aus ihren Gesprächen mit den Useinoskis, „die hatten keinen Pfennig Geld mehr, seit ihr Sachbearbeiter bei ihrem letzten Besuch auf dem Sozialamt gleich die Polizei geholt hatte. Danach haben sie sich kaum noch in ihre Wohnung getraut, solche Angst hatten sie vor der Abschiebung.“

Mamode, die älteste, 16jährige Tochter der Useinoskis hatte noch kurz vor der Abschiebung für alle ihre Geschwister Schulbescheinigungen besorgt, „um zu belegen, daß die wir uns in Bremerhaven integrieren wollten“, erzählte Mamode ihrer Lehrerin. In der Paula-Modersohn-Schule sei ihr die Bescheinigung aber verweigert worden. „Ihr werdet doch sowieso abgeschoben“, habe sie als Begründung gehört. Mamode wollte in diesem Jahr das Berufsgrundbildungsjahr machen. „Sie hatte in kurzer Zeit nicht nur Deutsch, sondern auch mit mir Türkisch gelernt“, erzählt Günel Baki. Anwenden kann sie beides nun nicht mehr.

Nachdem im Juli und August bereits drei der insgesamt 16 heimatlosen Bremerhavener Roma- Familien abgeschoben worden waren, hatte sich Innensenator Peter Sakuth noch einmal alle Akten zur „Einzelfallprüfung“ an die Contrescarpe bestellt. Seitdem die Roma und Cinti Union dort in der Ferienzeit eine Mahnwache in Zelten organisiert hatte, war auch aus verschiedenen SPD- Gremien bis hin zum Landesvorstand die Forderung zumindest nach einem vorläufigen Abschiebestopp für heimatlose Roma erhoben worden.

Zwei der Familien haben seitdem auch tatsächlich Duldung und Arbeitserlaubnis bekommen. „Das waren gerade die aktivsten Leute“, vermutet der grüne Bremerhavener Stadtverordnete Michael Frost dahinter die Taktik des „Teile und Herrsche“. Einige Familien haben inzwischen resigniert und das Land Bremen verlassen, andere sind vor der Ausländerpolizei, die nach ihnen fahndet, untergetaucht.

Doch auch ohne Abschiebehaft ist ihr Bremerhavener Leben zerstört. Die Kinder dürfen sich in der Schule nicht mehr sehen lassen, Sozialhilfe und Wohnung haben die Roma-Familien verloren. Dirk Asendorpf